„Nicht so langweilig wie sonst in der Kirche“

450 Besucher aus ganz Deutschland nehmen auf dem 34. Deutschen Evangelischen Kirchentag in Hamburg an Jugendgottesdienst der Projektgruppe aus dem Kirchenkreis Aachen teil – 240 Aachener erleben Großereignis bei bestem Wetter – Hohe Zufriedenheit mit Quartier in Altona – Dank an alle ehrenamtlich Mithelfenden

Mit einem Stück Schokolade in der Hand und einem blau-weißen Segensbändchen ums Handgelenk stehen viele Jugendliche noch vor der der St. Pauluskirche in Heimfeld in der Sonne, gleich neben dem „Zentrum Jugend“. Die kleinen Geschenke hat die Projektgruppe des Kirchenkreises Aachen nach dem von ihr gestalteten Jugendgottesdienst unter dem Titel „Soviel ist weniger mehr“ am Ausgang verteilt. Viele haben sich auch einen der bunten Klebezettel mitgenommen, auf denen alle Teilnehmenden im Gottesdienst notieren konnten, was sie geben können oder was sie brauchen: „Mehr Zeit“, steht darauf, „Zuneigung“ oder „Spaß und Fotos“.

„Ich fand den Gottesdienst cool“, meint ein Teenager aus einer Gruppe aus Brandenburg. „Die Jugendlichen auf der Bühne waren locker, und es war nicht so langweilig wie sonst in der Kirche!“ Auch bei den Gruppen aus Berlin, Verden und Dormagen kam die jugendliche Gestaltung gut an: „ein bisschen chaotisch, aber nett“, „das Video war lustig“, „mir hat gut gefallen, wie der Bibeltext umgeschrieben war“, sagen die jungen Leute. Auch die 16 Teilnehmer aus der Projektgruppe des Kirchenkreises sind nach der gelungenen Umsetzung zufrieden. „Wir waren schon aufgeregt und haben gehofft, dass wirklich so viele Leute kommen“, sagt Ina aus der Trinitatiskirchengemeinde Schleidener Tal. „Aber alles hat gut geklappt, auch wenn wir zwischendurch ein bisschen improvisieren mussten!

"Interessante Erfahrung", die wiederholt werden soll

Die Jugendlichen im Alter von 15 bis 19 Jahren hatten seit dem Herbst den Ablauf des Gottesdienstes geplant, den Bibeltext zum Kirchentagsmotto „Soviel du brauchst“ in jugendliche Sprache umgeschrieben, ein Video dazu gedreht, einen Tanz einstudiert und Plakate gestaltet. Die Jugendband „Veto“ aus der Kirchengemeinde Kornelimünster-Zweifall um Jugendleiter Achim Richter spielte im Gottesdienst mehrere Songs und erhielt großen Applaus. Auch der Jugendreferent des Kirchenkreises, Axel Büker, freut sich über den Erfolg des Projekts, das Teil des offiziellen Programms des Kirchentages war: „Für uns alle war es eine sehr interessante Erfahrung und wir überlegen schon ob wir das wiederholen können, zum Beispiel 2014 im Jugendcamp, oder wieder auf dem nächsten Kirchentag in zwei Jahren“, sagt er nach der Rückkehr.

Fünf Tage leben in Klassenzimmern

Fünf Tage lang hatten in Hamburg rund 120.000 Dauerteilnehmer und zehntausende Tagesgäste die Auswahl, an den insgesamt 2500 Programmpunkten teilzunehmen, die überall in der Stadt angeboten wurden. Ob Eröffnungsveranstaltung auf der Reeperbahn, Abendsegen an der Binnenalster mit Kerzenmeer, Folk-Konzert, Politiker-Talk oder Bibelarbeit in den Messehallen – auch unter den etwa 240 Teilnehmenden aus dem Kirchenkreis Aachen waren sicher für jede und jeden ansprechende Veranstaltungen mit dabei. Viele Aachener waren gemeinsam mit einem Sonderzug angereist und übernachteten gemeinsam in der „Aachener Schule“ in Altona. Die Organisation hatten Jugendreferent Axel Büker und der Synodalbeauftragte und ehrenamtliche Quartiermeister Andreas Schmeitz übernommen und sorgten gemeinsam mit einem großen Helferteam dafür, dass alle sich wohlfühlen und ein schmackhaftes Frühstück genießen konnten. „Selbst die nur sechs Duschen für uns alle waren besser als erwartet und viele haben sich sehr bei uns bedankt und gesagt, es sei noch besser gewesen als in Dresden“, berichtet Axel Büker. Unter den vielen positiven Rückmeldungen zum Kirchentag habe er auch oft gehört, die kritische Auseinandersitzung mit dem Thema „Soviel du brauchst“ sei sehr fruchtbar gewesen und Positionierung der Kirche dazu wurde von vielen Teilnehmenden geschätzt.

7000 feiern Margot Käßmanns Aufruf zum Kampf für Gerechtigkeit

Dies war ganz sicher auch der Fall in einer Veranstaltungen mit dem größten Publikumsandrang im Messezentrum: der Bibelarbeit mit der ehemaligen EKD-Ratsvorsitzenden Margot Käßmann zum Thema Gerechtigkeit. Seit sieben Uhr morgens hatten die Menschen dort angestanden, um einen der 7000 Sitzplätze in Halle B5 zu erhalten. Diese reichten dennoch nicht aus, so dass Ordner mit großen „Halle überfüllt“-Schildern die weiter wartenden Massen in Schach halten mussten. Anhand der Geschichte „Eine Witwe fordert Gerechtigkeit“ aus dem Lukas-Evangelium spricht Käßmann über das Unglück von Bangladesh, die Gefangenen in Guantanamo, unterdrückte Frauen in Indien wie auch über westliches Konsumverhalten und Asylbewerber in Deutschland. Schließlich ruft sie alle Zuhörer auf, nicht nachzulassen im Glauben, aber auch nicht im Kampf gegen Willkür und Unrecht: „Weiter beten! Weiter frei denken!“

Glaube, Gerechtigkeit und die Vision für eine andere Welt waren schließlich auch die Leitmotive der Abschlusspredigt des anglikanischen Bischofs Nicholas Baines, die er vor 130.000 Menschen im Hamburger Stadtpark hielt.

Nächster Kirchentag 2015 in Stuttgart

Vor der Abreise zogen auch Kirchentagspräsident Gerhard Robbers und der Ratsvorsitzende der EKD, Nikolaus Scheider, ein positives Fazit. "Der Kirchentag ist unser Basislager, das uns an Leib und Seele gestärkt wieder in den Alltag sendet. Wenn es den Kirchentag nicht gäbe, müsste man ihn schleunigst erfinden", sagte Schneider. Nicht neu erfunden, aber neu gestaltet, wird der nächste Deutsche Evangelische Kirchentag in zwei Jahren wieder, dann in Stuttgart, und sicher dann auch wieder mit einer großen Gemeinschaftsreisegruppe aus dem Kirchenkreis Aachen.