„Gottes Leidenschaft für das Leben feiern“

Dr. Monica Schreiber ist die neue Pfarrerin an der Aachener Emmaus-Kirche - Einführungsgottesdienst am Sonntag Lätare

Wie viele Hände sie geschüttelt hat, kann Dr. Monica Schreiber an diesem ganz besonderen Sonntag gar nicht mehr zählen. Die neue Pfarrerin an der Aachener Emmaus-Kirche feierte am Sonntag Lätare ihren offiziellen Einführungsgottesdienst. In der Gemeinde ist sie längst angekommen, ist seit Jahren präsent, war bereits ab 2004 als Gastvikarin tätig, hatte ab 2011 ein öffentlich-rechtliches Dienstverhältnis auf Probe mit 50 Prozent Stellenanteil zur Entlastung der Vorsitzenden der Pfarrvertretung, Pfarrerin Asta Brants. Ab Sommer 2013 unterstütze sie Assessor Martin Obrikat an der Auferstehungskirche Aachen mit zusätzlichen 50 Prozent Stellenanteil. Viele Freunde, Wegbegleiter, Kollegen und Gemeindemitglieder bedachten nun die engagierte Pfarrerin mit Blumengeschenken. Die kleine Kirche im Wohngebiet vom Driescher Hof war dicht besetzt und der Posaunenchor der Gemeinde sorgte bereits vor dem Beginn für den feierlichen, stimmungsvollen Rahmen. Pfarrer Hans-Peter Bruckhoff, Superintendent des Evangelischen Kirchenkreises Aachen sowie einige von Schreibers Kollegen zogen mit ein. Kantor Elmar Sauer und der Kirchenchor sorgten für die musikalische Begleitung.

Theologiestudium in Heidelberg und Bonn

Die 1978 geborene Schreiber ist verheiratet und hat einen sechsjährigen Sohn. Sie studierte evangelische Theologie in Heidelberg und Bonn sowie Religionsphilosophie in Cambridge. Schreiber promovierte über die "Kirche und Europa. Protestantische Ekklesiologie im Horizont europäischer Zivilgesellschaft". Privat widmet sie sich gern dem Klavier- und Orgelspiel sowie dem Chorgesang und der Literatur. Schreiber interessiert sich für die Russische Sprache und Kultur, reist gerne - bevorzugt nach Ostereuropa.

"Passionssonntag im doppelten Sinn"

In ihrer Predigt betonte Schreiber, dass an diesem Sonntag Lätare die Passion gefeiert wird: "Ja, Sie haben richtig gehört, wie feiern Passion. Denn heute ist der Sonntag Lätare, der Sonntag, dessen Name "Freut euch" bedeutet. Früher trieb man an diesem Tag den Winter aus und begrüßte den Frühling. Heute begehen wir ihn als Passionssonntag im doppelten Sinn. Denn Passion, das bedeutet einerseits "Leiden", andererseits aber - wir denken an das Englische passion - heißt es auch Leidenschaft", erklärte Schreiber und las zur Verdeutlichung ein Wort aus dem Buch des Propheten Jesaja, nämlich das 54. Kapitel, vor. "Wenn ich über den Driescher Hof gehe, überlege ich gelegentlich, wie sich das Leben so anfühlen mag, wie Jesaja es uns mit seinem Bild von wegbrechender Erde und hinfallenden Hügeln beschreibt. Hinter welchen Fenstern liegt die Welt in Trümmern? Wo wird Menschen der Boden unter den Füßen weggezogen? In welchem Haus bebt die Erde? Ich denke an den älteren Herrn, der an der Frage nach Sinn und Wert seines Lebens verzweifelt. Ich sehe das vernachlässigte Kind, das bei Minusgraden ohne Jacke draußen spielt. Ich besuche die Frau, die sich vor den Anderen hinter ihrer Unordnung versteckt. Ich erlebe Passion, aber frage nach dem Leben, nach Frühling, nach Licht, nach Gott."

Viele Geschichten aus der Gemeinde

Schreiber betonte, sie kenne in der Gemeinde viele Geschichten von Menschen, die so wie Jesaja ihr Leben mutig und voller Vertrauen vorwärts gelebt haben. "Besonders denke ich dabei an alle diejenigen, die auf ihrer Lebensreise von Kasachstan oder aus Sibirien zu uns gekommen sind", betonte Schreiber. Im vergangenen Sommer habe sie eine Reise eben dorthin gemacht, nach Sibirien, in die Altai-Region und habe die unendliche Weite erlebt, die überwältigende Größe der Natur, den tiefen Schlamm und das schwierige Fortkommen auf dem Perma-Frost Boden. "In unserer Gemeinde gibt es so viele Geschichten zu erzählen von der grausamen Zeit der Deportation dorthin, von unglaublich harten Wintern, von Hunger und Verzweiflung. Es wäre schön, diese Geschichten aus unserer Mitte sammeln und festhalten zu können. Denn sie erzählen aus erfahrenem Leiden heraus vom Glauben der Kraft und Hoffnung gibt, von Trost und sicherer Rückkehr. Sie sind Geschichten der Hoffnung, die Kraft geben für die Zukunft."

Gottes Gnade zu verschenken ist Aufgabe der Gemeinde

Am Sonntag Lätare feiere man auch, dass Gottes Leidenschaft für das Leben auch eine Leidenschaft für neue Anfänge ist. "Die Gnade Gottes ist ein Geschenk. Unsere Aufgabe als Gemeinde ist es, sie so weiter zu verschenken, dass die Menschen heute sie auch als Geschenk wahrnehmen und annehmen können. Das bedeutet für uns: Gastfreundlich sein, Raum geben, die Augen offenhalten nach neuen Formen und Möglichkeiten, niemanden bedrängen, Toleranz üben, Großzügigkeit wagen, den Verlorenen helfen, den Armen geben und Suchende willkommen heißen", betonte die neue Pfarrerin und regte an, dies in den nächsten Jahren gemeinsam zu tun. Übrigens: In der Geschichte der Emmaus-Jünger, von der "ihre" neue Kirche ihren Namen erhalten hat, erzählt der auferstandene Christus zwei enttäuschten und zerschlagenen Menschen auf dem Weg, wie Gott einen neuen Anfang macht. "Im Zentrum dieser Geschichte steht die Bitte der beiden Jünger, die in dieser Kirche in Stein gemeißelt ist, nämlich in den Grundstein. Es ist die Bitte "Herr, bleibe bei uns", erklärte Schreiber, die sich mit Mut und Zuversicht im Hinblick auf alles Neue freut, das kommen wird.

Grußworte und eine "Gebrauchsanweisung für die Gemeinde"

Nach dem Gottesdienst ließen viele Wegbegleiter Schreibers es sich nicht nehmen, ein paar persönliche Grußworte zu sprechen. Pfarrer Uwe Loeper schenkte Pfarrerin Schreiber eine Tüte, die viele Dinge enthielt, die sie in ihrem Beruf als Pfarrerin gut gebrauchen könne. Frau Blank hieß die "neue" Pfarrerin im Namen der Frauenhilfe ebenfalls herzlich willkommen. Pfarrer Martin Obrikat, Pfarrer Redmer Studemund und Prädikant Manfred Wussow gaben einen kleinen Exkurs darüber, was es bedeutet Pfarrerin zu sein". Sie lasen aus Texten von Herrmann Hesse, Christian Morgenstern und Wilhelm Busch. Die Mitglieder des Presbyteriums der Emmaus-Kirche ließ sich zur Einführung von Pfarrerin Schreiber etwas ganz besonderes einfallen: Sie überreichten ihr eine Gebrauchsanweisung für ihre Gemeinde mit zahlreichen hilfreichen Dingen, um die Arbeit in der Gemeinde zu meistern. Darunter waren zum Beispiel Karabinerhaken, "damit ihr Herz fest mit Gott und der Gemeinde verankert bleibt", ein Kaleidoskop, "um die Buntheit der Welt wahrzunehmen", oder eine Friedenspfeife, die helfen solle, Ruhe zu bewahren und Frieden zu stiften. Salz und Pfeffer sollten für die richtige Würze in der Arbeit sorgen, ein Fußbad verhindern, dass die Füße schmerzen. Und das letzte Geschenk, Kaffee, stand symbolisch für die Ruhe: "Nimm dir immer auch einen Sabbat Tag für Deine Familie, der darf nicht fehlen."

(Text: Nina Krüsmann und Cordula Nagaba, Fotos: Nina Krüsmann)