"Wolfgang D. aus B. in Freiheit entlassen"

Pfarrer Wolfgang Döring geht in Ruhestand - 20 Jahre Gefängnispfarrer und -Seelsorger - Zahlreiche Gäste bei Abschiedsgottesdienst

"Wenn man über Menschen aus dem Knast erzählt, dann darf man natürlich keine Namen nennen", scherzte Pfarrer Eichenberg bei der Eröffnung des Festgottesdienstes für "Wolfgang D. aus B.", der "nach 20 Jahren im Knast endlich in die Freiheit entlassen wird." Dabei war allen klar, um wen es ging: Mehr als 200 Menschen kamen in der JVA Aachen zusammen, um den Abschied von Pfarrer Wolfgang Döring zu feiern, der nach 20 Jahren als Gefängispfarrer und -Seelsorger in den Ruhestand geht.

Wie bei allen Gefängnis-Entlassungen müsse man natürlich auch bei "Wolfgang D. aus B." abwarten, ob er den Sprung in die Freiheit schaffe, sagte Eichenberg. Allerdings habe er gute Voraussetzungen, schließlich warten "draußen" zahlreiche neue Beschäftigungsmöglichkeiten, zum Beispiel das Motorrad, der Campingplatz oder die kleine Enkeltochter.

"Noch nie so viele Hausbesuche"

Auch Wolfgang Döring selbst war an diesem besonderen Tag in seiner Predigt zu Scherzen aufgelegt: "Ich habe in meiner gesamten Laufbahn als Pfarrer nie so viele Hausbesuche gemacht wie hier im Knast." Er stimmte aber auch ernste Töne an, nämlich als er sich direkt an seine "Jungs" wandte, wie er die Insassen der JVA liebevoll nennt: "Ich habe eure Taten nie relativiert. Aber Jesus hat uns zum aufrechten Gang berufen, und diese Botschaft habe ich versucht, euch mit auf den Weg zu geben." Egal, welche Taten die Insassen begangen haben, ihr Leben könne "von niemandem zwischen zwei Buchdeckeln in eine Akte gezwängt werden." Bei diesen Worten applaudierten die zahlreichen anwesenden Insassen.

"Immer Mensch geblieben"

Dass so viele von ihnen zum Abschied von Pfarrer Döring gekommen sind, habe sicherlich "nicht am Kaffee und Kuchen gelegen", den es nach dem Gottesdienst gab, versicherte die Leiterin der JVA, Reina Blikslager. Der Zwischenruf eines "Knastis" bestätigte das: "Ne, weil er immer Mensch geblieben ist!"

 

Superintendent würdigt "außergewöhnlichen Dienst"

Superintendent Hans-Peter Bruckhoff betonte indes, wie außergewöhnlich Dörings Dienst im Vergleich zur Arbeit von Gemeindepfarrerinnen und -Pfarrern sei. Als Pfarrer Döring Bruckhoff bei dessen Antritt als Superintendent vor 19 Jahren besucht habe, habe er ihm ein von Häftlingen geschnitztes Holzkreuz mitgebracht, als Erinnerung daran, auch die Insassen der JVA und ihre Bedürfnisse immer im Blick zu haben. Dieses Holzkreuz hinge noch heute in seinem Arbeitszimmer im Haus der evangelischen Kirche, so Bruckhoff. Anschließend entpflichtete Bruckhoff Döring und rief dazu auch dessen Frau Gundi nach vorne, die Pfarrer Döring in der nicht immer einfachen Zeit als Gefängnisseelsorger stets "den Rücken freigehalten" habe.

Emotionale Schlüsselabgabe

Besonders emotional wurde es, als Döring seinen Gefängnis-Schlüssel abgab. Er wolle dies ganz bewusst tun, sagte er zuvor, um "den Kolleginnen und Kollegen, die zurück bleiben, und den neuen, die kommen werden, die Möglichkeit zu geben, ohne mich zu denken, handeln, planen und arbeiten." Mit der Abgabe des Schlüssels sei ein langer, schöner Lebensabschnitt für ihn beendet, sagte Döring sichtlich bewegt.

Film der Gefängnis-Filmcrew gibt Einblick in Arbeit

Gleich darauf wurde aber schon wieder gelacht. Ein Film der Gefängnis-Filmcrew "Podknast" gab einen humorvollen Einblick in die Arbeit Dörings. Auch zahlreiche Kolleginnen und Kollegen kamen darin zu Wort und lobten die tolle Zusammenarbeit mit dem Gefängisseelsorger.

Freunde, Kollegen, Familienangehörige und Insassen richten Grußworte aus

Nach dem Gottesdienst nutzten zahlreiche Freunde, Kollegen, Familienangehörige und auch Insassen der JVA die Gelegenheit, Grußworte an Pfarrer Döring zu richten, ihm zu danken und für seine Zukunft alles Gute zu wünschen. Besonders freute Döring der Überraschungsbesuch des Schachtchores aus Hückelhoven, der auch schon in Gottesdiensten Dörings in der JVA zu Besuch war und zu dem der Pfarrer nach 15 Jahren Gemeindearbeit in Hückelhoven ein ganz besonderes Verhältnis hat. Aber Döring ließ sich nicht nur beschenken, sondern schenkte auch: Zum Abschied hinterließ er seinen Kollegen der JVA einen Apfelbaum, als Zeichen dafür, dass auch weiterhin Gutes durch die Arbeit der Seelsorge in der JVA geschehe.

Abschied mit lachendem und weinendem Auge

Auf das Ende seiner Tätigkeit als Seelsorger und Gefängnispfarrer und seinen nun beginnenden Ruhestand blicke er "mit einem lachenden und einem weinenden Auge". Einerseits falle natürlich eine große Last von ihm ab, denn seine Aufgabe sei nicht immer einfach gewesen. Trotzdem verspüre er auch eine gewisse Traurigkeit, denn er sei "gerne hier gewesen" und habe gespürt, dass er "Zugang bekommen habe zu den Menschen, die hier auf Zeit leben müssen." Dabei sei ihm die Begegnung mit den Häftlingen immer wichtig gewesen, denn er sei sicher, dass "aus Begegnungen heraus Gutes wächst." Ob ihn die 20 Jahre im "Knast" verändert haben? "Sicher", meint er, "ich bin hier knastmäßig sozialisiert worden." Damit meine er zum Beispiel den lockeren Umgangston, der bei seinen "Jungs" herrsche und den er sich auch ein wenig zu eigen gemacht habe: "Wenn einige Pfarrer aus den Gemeinden wüssten, was hier für Worte auch im Gottesdienst fallen, wären Sie entsetzt!" lacht er. Aber genau dies sei das wichtige an seiner Tätigkeit gewesen: Trotz einer gesunden Distanz den richtigen Ton bei den Häftlingen zu treffen.

(Text und Fotos: Stephan Klumpp)