"Beteiligung von Frauen ist exemplarisch für Reformation"

Themen des Protestantismus: Folge 3 „Frauen im Pfarramt“ - Interview mit Pfarrerin Ute Meyer-Hoffmann

Zum Reformationsjubiläumsjahr 2017 stellen wir an dieser Stelle regelmäßig Themen vor, die das evangelische Leben in unserer Region prägen. Für die dritte Folge mit dem Thema „Frauen im Pfarramt“ haben wir Pfarrerin Ute Meyer-Hoffmann interviewt. Seit 1992 ist sie in der Evangelischen Kirchengemeinde Kornelimünster-Zweifall tätig.

In der Evangelischen Kirche im Rheinland sind Frauen und Männer im Pfarrdienst seit 1975 gleichgestellt. Derzeit sind etwas mehr als ein Drittel der Personen im Pfarramt weiblich. In den Leitungsfunktionen sind es noch weniger. Aber die Zahl der Pfarrerinnen steigt stetig, und in Vikariat und Probedienst liegt der Frauenanteil inzwischen bei über 60 Prozent.

Frau Meyer-Hoffmann, wann haben Sie daran gedacht, Theologie zu studieren und Pfarrerin zu werden?

Obwohl ich Religion im Abitur hatte und in meiner Heimatgemeinde ehrenamtlich engagiert war, habe ich nie an ein Theologiestudium gedacht. Der Gedanke kam mir erst, als ich als Erstsemesterin in einem anderen Studiengang in der ESG Theologinnen kennenlernte. Ich habe mich später oft gefragt, warum nicht vorher: ich vermute, es lag daran, dass es in meinem Heimatkirchenkreis nur zwei Pfarrerinnen in anderen Gemeinden gab, beide unverheiratet. Mir fehlten einfach Rollenvorbilder, um mir diesen Beruf für mich vorstellen zu können.

In der katholischen Kirche dürfen Frauen nicht das Pfarramt ausüben – wie begründet die Evangelische Kirche es, dass Frauen und Männer gleichgestellt sind?

Meyer-Hoffmann: Die theologische Grundlage ist die reformatorische Auffassung vom Priestertum aller Getauften, die unabhängig vom Geschlecht der getauften Person ist.

Warum hat es trotzdem so lange gedauert, bis Frauen als Pfarrerinnen gleichberechtigt wurden?

Meyer-Hoffmann: Im Rückblick erkennen wir, dass herrschende gesellschaftliche Strukturen und Rollenverständnisse nicht konsequent theologisch hinterfragt wurden. Wenn es darum ging, den Gedanken vom Priestertum aller Getauften im Blick auf Frauen konsequent weiter zu denken, gab es einfach einen riesigen blinden Fleck.

Schon in den Anfängen des Christentums und auch in der Zeit der Reformation gab es Frauen, die davon überzeugt waren, dass sie durch die Taufe und ihren Glauben ebenso wie Männer berufen sind zu predigen. Wie stand denn Martin Luther zur Rolle der Frau in der Gesellschaft und in der Kirche?

Meyer-Hoffmann: Eine These von Margot Käßmann lautet: „Die Beteiligung der Frauen ist nicht ein Seitenthema der Reformation, sondern sie steht exemplarisch für ihre Inhalte“. Der erste Punkt war das Priestertum aller Getauften. Außerdem hat Martin Luther die Ehe und damit auch die Sexualität aufgewertet, anstelle des römisch-katholischen Ideals der Jungfräulichkeit und des Zölibates. Schließlich schloss der von den Reformatoren vorangetriebene Gedanke der Bildung für alle von Anfang an Mädchen und Frauen ein: alle sollten lesen lernen, um sich eigenständig mit der Bibel zu beschäftigen.

Sie selbst sind inzwischen seit 25 Jahren Pfarrerin: Wie empfinden Sie Ihre Rolle in diesem Beruf heute?

Meyer-Hoffmann: Als ich Ende der 1980er Jahre Vikarin, Pastorin und Pfarrerin wurde, hatten die Generationen der Pionierinnen vor uns schon das Terrain vorbereitet. Wir waren keine Exotinnen mehr, sondern viele, und wir mussten nicht mehr um Akzeptanz kämpfen.

Andererseits sind mehr Kolleginnen als Kollegen in der Zeit der Pfarrstellenknappheit in den befristeten Sonderdienst gegangen. Einige Kolleginnen meiner Jahrgänge wurden nach dessen Ablauf entlassen. Ich selbst kann mich an kein negatives Erlebnis erinnern. Im Gegenteil: Als in meiner jetzigen Gemeinde die 2. Pfarrstelle eingerichtet wurde, hatte sich das Presbyterium entschieden, wenn möglich eine Frau in diese Stelle zu wählen.

Für Frauen ist die Vereinbarkeit von Beruf und Familie meist immer noch sehr viel stärker ein Problem als für Männer. Sie selbst sind verheiratet und haben zwei Kinder. Wie sind Sie mit diesem Thema umgegangen?

Meyer-Hoffmann: Ich bin erst nach 10 Jahren als Gemeindepfarrerin Mutter geworden. Da es zum damaligen Zeitpunkt nicht möglich war, dass mein Mann und ich beide unseren Dienstumfang reduzieren konnten, habe ich pro Kind 3 Jahre Elternzeit genommen. Danach habe ich meinen Dienstumfang zunächst reduziert. Jetzt haben wir auch eine Kinderfrau, da die Zeiten von Kindergarten und Schulbetreuung mit den nachmittäglichen Arbeitszeiten in der Gemeinde nicht kompatibel waren. Abends und am Wochenende hält mir meistens mein Mann den Rücken frei.

Die Ausstellung „Pionierinnen im Pfarramt“, war bei Ihnen im Gemeindezentrum zu Gast, und begleitend hatten Sie dazu einen Gesprächsabend organisiert und moderiert. Haben Sie dadurch noch interessante neue Einsichten gewonnen?

Meyer-Hoffmann: Vorher war mir nicht bewusst, dass es im Rheinland bereits Ende der 1920er Jahre einige Vikarinnen gab, von denen sich manche sehr klar und deutlich gegen den aufkommenden Nationalsozialismus engagiert haben. Ich wusste vom „Pflichtzölibat“ für Pastorinnen bis 1973, aber ich war überrascht, dass die gleiche Amtstracht für Pfarrerinnen und Pfarrer (Talar + Beffchen) erst 1987 festgelegt wurde. Davor trugen die Pastorinnen und später Pfarrerinnen einen Talar mit weißem Umlegekragen.

Spannend war der Gesprächsabend. Die Mutter von Dorothea Kuhrau-Neumärker, Anneliese Neumärker, konnte als Mutter von drei Kindern mit dem Theologiestudium nur deshalb beginnen, weil ihr Mann im Krieg gefallen war. Es wurde auch deutlich, dass manche dieser Pastorinnen der ersten Generationen mit dem Zwangszölibat einen hohen Preis gezahlt haben, der teilweise zu großer innerer Einsamkeit oder auch zu einer gewissen Verbitterung führte.

Wie sehen Sie die Entwicklung der Gleichberechtigung von Frauen in den Kirchen auf internationaler Ebene?
Meyer-Hoffmann: In vielen Kirchen ist die Gleichberechtigung von Frauen bis hinein in kirchenleitende Ämter inzwischen selbstverständlich, dazu hat die ökumenische Dekade „Kirchen in Solidarität mit den Frauen“ von 1988-1998 sicher wesentlich beigetragen. Einen traurigen Rückschritt gibt es in Lettland: nur ein knappes Jahr, nachdem 2015 das 40-jährige Ordinationsjubiläum der ersten Frauen gefeiert wurde, wurde im Juni 2016 dort im Kirchengesetz verankert, dass künftig nur noch Männer ordiniert werden dürfen.

Wie beurteilen Sie die Situation von Pfarrerinnen im Kirchenkreis Aachen?

Meyer-Hoffmann: Unter uns Gemeindepfarrerinnen gibt es ein klares Nord-Süd-Gefälle: in den Nordgemeinden und der Gesamtgemeinde Aachen gibt es inzwischen eine ganze Reihe von Kolleginnen im Gemeindepfarramt. Südlich von Aachen sind Susanne Salentin in Roggendorf und ich die einzigen Gemeindepfarrerinnen, dazu derzeit noch Heike Hirt als Pfarrerin mit besonderem Auftrag.

Im Blick auf die Vertretung von Pfarrerinnen im Kreissynodalvorstand ist seit einigen Wahlperioden ein Rückschritt zu beobachten: Als ich 1992 in den Kirchenkreis kam, war es über lange Jahre üblich, dass die Skriba (2. Stellvertretung des Superintendenten) weiblich war. Momentan sind alle Theologenstellen im KSV von Männern besetzt, Frauen gibt es dagegen auf Positionen der Synodalältesten. Im Vergleich zu vielen anderen Kirchenkreisen haben wir also momentan einen gewissen Nachholbedarf.

Gibt es etwas, das Sie sich wünschen, was noch verändert oder verbessert werden müsste?

Meyer-Hoffmann: Ich habe einen Traum: So viele ökumenische Schulgottesdienste halte ich derzeit mit kompetenten Gemeindereferentinnen, das macht wirklich Spaß. Auch wenn ich es in meinem Berufsleben wahrscheinlich nicht mehr erleben werde: Ich hoffe, es gibt irgendwann die Zeit, in der die katholische Kollegin zumindest Diakonin ist (und später vielleicht mehr). Die anglikanische und die altkatholische Kirche sind diese Schritte gegangen und haben dadurch eine Bereicherung ihres kirchlichen Lebens erlebt.