Bericht vom Euregionalen Ökumenischen Konvent 2021

Gelegenheit zum Austausch und gemeinsamen Lernen bieten die jährlich stattfindenden "Euregionalen Ökumenischen Konferenzen". Das sind Studientage, die offen sind für alle und sich mit einem spirituellen oder diakonischen Thema beschäftigen, das grenzüberschreitend von Interesse ist. In diesem Jahr fand diese zum ersten Mal in digitaler Form per Zoom statt. Das Thema lautete „Einsamkeit“ - Darüber spricht man doch nicht, oder?.

Eine euregionale ökumenische Konferenz und dann noch mit dem Thema „Einsamkeit“ - geht das denn überhaupt online? Ja es geht!  Am Freitag, 19. März , nahmen 73 Menschen aus den Niederlanden, Belgien und Deutschland digital per Zoom an der Konferenz teil. Die beiden Hauptvorträge ergänzten sich hervorragend: Prof. Dr. Andreas Wittrahm (Leiter Sozialpolitik, Caritasverband Bistum Aachen) referierte über die Einsamkeit, die für Menschen belastbar ist, weil sie sich selbst ausgeschlossen fühlen oder weil sie psychologisch eine mangelnde Bindungsfähigkeit haben.

Er verdeutlichte, welche Auswirkungen eine unsichere Bindung für die Betroffenen bedeutet. Wer in der Kindheit die Erfahrung macht, entwertet zu werden oder ausgeschlossen zu sein, ist weniger in der Lage Beziehungen zu knüpfen.  Das Gefühl, dass die Welt einen nicht (mehr) gebrauchen kann, dass der Lebensentwurf als gescheitert empfunden wird, kann zum Beispiel bei einem erwachsenen arbeitslosen Menschen zu einer „erbärmlichen Einsamkeit“ führen, bei der Scham und mangelnder sozialer Austausch miteinander gepaart gehen. Einsamkeit als Schicksal verlangt Widerstand gegen die Schicksalsfaktoren, also z.B. gegen die Arbeitslosigkeit. Einsamkeit als biografische Bürde ruft nach dem Gestalten einer ökologischen Nische. Prof. Wittrahm zitierte dazu ein Gedicht:

Treten Sie ein, legen Sie Ihre 
Traurigkeit ab, hier
dürfen Sie schweigen

(Reiner Kunze, Einladung zu einer Tasse Jasmintee (1967); in: Brief mit blauem Siegel, Leipzig 1974, 29)

Einsamkeit gibt es in jedem Lebensabschnitt

Die Beispiele, die Prof. Wittrahm anführte - sich einsam in einer Partnerschaft fühlen, Einsamkeit nach Verlusterfahrungen, Einsamkeit im Sterben – verdeutlichten, dass es in jedem Lebensabschnitt Einsamkeitserfahrungen gibt. Sein Fazit am Ende lautete kurz und bündig: „Einsam bin ich, mache ich mich, werde ich gemacht.“ Um der ungewollten Einsamkeit wenigsten zeitweise zu entkommen, braucht es eine Einladung zur Teilhabe - mit Interesse, Mut, Akzeptanz und Bescheidenheit, denn es gelingt nur, „wenn die Betroffenen sich ihrerseits auf Beziehungsangebote einlassen können und wollen“.

Pfarrer Hans Kling (Krankenhausseelsorge, Universitätsklinik Maastricht) knüpfte in seinem Vortag „Einsamkeit im Krankenhaus“ dran an und beschrieb, wie Brüche im Leben das eigene Weltbild und damit auch die Lebensziele, die ein Mensch hatte, verändern oder sogar zum Einsturz bringen können. Die Welt, die vorher als gut und sinnvoll empfunden wurde, erscheint plötzlich nicht mehr verlässlich. Der Mensch, der seine Aufgaben hatte, fühlt sich als Last und fragt nach dem Sinn. Wie kann es gelingen weiterzuleben und die gemachte Erfahrung in das Weiterleben zu integrieren? Was gibt Sinn in dem Geschehen? Eindrucksvoll berichtete ein Patient B.K. von seiner schweren Coronaerkrankung im Frühjahr 2020. Aus einem aktiven Leben war er von einem auf den anderen Tag herausgerissen worden. Eindrucksvoll schilderte er seine Erfahrungen auf der Intensivstation und im sozialen Umfeld und wie sehr es ihm geholfen hat, die geduldige und immer wieder nachfragende Zuwendung von Pflegekräften zu erfahren.

Bedeutung von Tieren für einsame Menschen

Sein Leben hat sich verändert, er kann nicht mehr an die bisherigen Aktivitäten anknüpfen, hat aber neue Aufgaben und Zukunftsperspektiven gefunden. Sein sehr bewegendes Beispiel zeigte, wie wichtig es ist, dass Menschen in der Krise menschlich und würdevoll behandelt werden und die Gelegenheit haben, zu Wort zu kommen und ihre Geschichte zu erzählen. Das hilft, eine Krise zu bewältigen und sich an eine neue Situation anpassen zu können. In vier Arbeitsgruppen gaben kompetente Referent*innen weiterführende Impulse zum Thema „Einsamkeit in der Altenhilfe zu Coronazeiten“ oder zur „Aktuellen Situation in den Niederlanden“. Ebenso erweiterte die Sicht auf die selbstgewählte Einsamkeit in Form von Exerzitien oder auf den therapeutischen Einsatz und die Bedeutung von Tieren für einsame Menschen die Perspektive auf ein noch längst nicht erschöpfend behandeltes, aktuelles und wichtig bleibendes Thema.

Positive Resonanz trotz Distanz

Auch wenn die zwischenmenschlichen Begegnungen bei einer Tasse Kaffee und beim Mittagessen fehlten und die direkten mehrsprachigen Gespräche in den Workshops sehr eingeschränkt waren, gab es am Ende viel positive Resonanz auf die erste Online-Euregiokonferenz. Ein großer Dank gilt den Mitarbeiterinnen der Caritas vom Bistum Aachen, insbesondere Anna Kohlway im Vorbereitungsteam, die für eine angenehme Moderation und einen reibungslosen Verlauf sorgten. Nun hoffen wir alle, dass wir im kommenden Jahr einander grenzübergreifend wieder näherkommen und an einem Ort zusammen tagen können.