"Die Königin der Instrumente" braucht jetzt viel Pflege

Die Orgel der evangelischen Kirche in Roetgen ist 200 Jahre alt und mittlerweile dringend sanierungsbedürftig

Sie gilt als die „Königin der Instrumente“: die Orgel. Denn sie kann es – im Wortsinne – spielend mit einem ganzen Orchester aufnehmen: So vielfältig ist die luftgesteuerte musikalische Kunst, die ihren zahllosen kleinen und großen Pfeifen auf den Tastendruck des Organisten hin kontrolliert und wohltönend „entweicht“.
Bei einer besonders wertvollen historischen Orgel ist die Raumakustik längst nicht mehr so gut und harmonisch, wie sie sein sollte. Dabei handelt es sich um das mehr als 200 Jahr alte Instrument der Evangelischen Kirchengemeinde Roetgen. Dies haben Verantwortlichen längst gutachterlich feststellen lassen: Es muss dringend etwas getan werden, damit die Orgel noch lange die Gottesdienste mit ihren Klängen umrahmen kann.

Mängel schon seit 2019 sichtbar

Der Orgel-Sachverständige Elmar Sauer hat bereits im Frühjahr 2019 ganz genau hingehört und hingeschaut. Im Jahr zuvor gab es Hinweise auf die Notwendigkeit einer Reinigung und Generalüberholung. Der in Kreuzau lebende und in Aachen musikalisch wirkende Experte der Düsseldorfer Landeskirche wurde um sein Fachurteil gebeten, nachdem bei den regelmäßigen Stimmungen Schimmelbildung, Staubablagerungen, Materialermüdung und Bleikorrosion unübersehbar geworden waren.'
Bis zum Jahre 1796 habe es in der 1780 fertiggestellten Kirche an der Rosentalstraße keine Orgel gegeben, blickt Pfarrer Jens-Peter Bentzin von der Kirchengemeinde Monschauer Land ganz weit zurück in die Vergangenheit. Ein Jahr später heißt es in den Annalen, dass Sänger die Aufgaben der Orgel übernehmen. Konkrete Belege tauchen aus dem Jahre 1807 auf. In einer Dienstanweisung wurde festgehalten, dass der damalige Küster gleichzeitig als „Kalkant“ eingesetzt war. Das bedeutete, dass er den „Blasebalg“ treten musste, mit dem die Luft in die Orgelpfeifen gepresst wurde, um damit Töne zu erzeugen.

Denkmalschutz seit 1956

Genaue Belege für den Aufbau der Orgel in Roetgen in der Zeit zwischen 1796 und 1807, die bis dahin ihre Dienste im Kloster Mariawald in der Eifel geleistet haben soll, sind nicht mehr zu finden. Einen technischen Neubau hatte es unter Verwendung des vorhandenen Pfeifenmaterials um das Jahr 1850 gegeben. Hersteller war nach den Erkenntnissen historischer Forscher die Firma Wilhelm Korfmacher aus Linnich, die auch für das Instrument im Aachener Dom verantwortlich zeichnete. Die Roetgener Orgel, eine der wenigen noch erhaltenen Orgeln aus dieser Werkstatt, ist bereits seit 1956 denkmalgeschützt.
Der Sachverständige Sauer hatte festgestellt, dass eine Restaurierung zurück in den Originalzustand an der „Windlade“ und den „Trakturen“ – das Übertragungssystem von den Betätigungselementen des Spieltischs zum Ventilsystem – „nur mit hohem wirtschaftlichen Aufwand zu bewerkstelligen“ sei. Stattdessen entschieden sich die Verantwortlichen um Pfarrer Bentzin „nur“ zu einer Konservierung. Dies umfasst die Reinigung und Generalüberholung, aber eben keine originalgetreue Wiederherstellung.

Rückführung des Gehäuses in den Originalzustand

Einsparungen an anderer Stelle sollen dafür sorgen, dass das ganze Projekt für die Gemeinde finanzierbar bleibt. So werden zum Beispiel die „Bleipulpeten“ erhalten, die sich noch als „voll funktionsfähig“ erwiesen haben. Dabei handelt es sich um Dichtungen in der Orgel, durch die der Abzugdraht des Ventils aus dem Windkasten der Windlade herausgeführt wird. Gespart werden kann auch dadurch, dass eine gebrauchte, kaum genutzte Windgebläsemaschine eingebaut werden kann. Sie ersetzt die jetzige Anlage, die den unliebsamen Nebeneffekt hat, dass leises Orgelspiel von störenden Geräuschen begleitet wird. Und wenn bei Konzerten im Wortsinne „alle Register gezogen werden, schwankt der Winddruck“.
Jens-Peter Bentzin: „Durch die Rückführung des Gehäuses in den Originalzustand und damit in Zusammenhang stehend der Freilegung des später ergänzten Pedalwerks ergeben sich außerdem Mehrwerte.“ Denn so werde einer möglichen Schimmelbildung im Pedalwerk entgegengewirkt. Und durch Entfernen eines später hinzugefügten Gehäuses des Pedalwerks werde zudem „eine bessere klangliche Abstrahlung in den Raum“ erreicht“, ergänzt der Pfarrer.

Kosten werden aus mehreren Richtungen gedeckt

Trotz einer gewissen Zurückhaltung bei der Konzipierung des Projekts sind Kosten in einer Gesamthöhe von 76.000 Euro zu stemmen. Allein der denkmalpflegerische Aspekt schlägt mit knapp 59.000 Euro zu Buche. Um diese Summen tragen zu können, muss die Gemeinde ganz tief in ihre Kassen greifen, aber auch die „Sammelbüchse“ bereithalten. Insgesamt gut die Hälfte der Summe, 38.350 Euro, müssen aus Eigenmitteln beigesteuert werden. Über die Denkmalförderung des Landes Nordrhein-Westfalen kommen 17.650 Euro hinzu. Und allein der „Kirchbauverein Monschauer Land“, dem Pfarrer Bentzin gleichfalls vorsteht, sorgt dafür, dass rund 20.000 Euro finanziert werden können, etwa über ein extra aufgelegtes „Fundraising“, ein systematisches Spendensammeln bei Benefizveranstaltungen.

„Nicht ganz ohne“, so Bentzin, dürfte auch die Aufarbeitung des Pfeifenwerks werden. Hier hat die „Bleikorrosion“ gewirkt und für „Lochfraß“ gesorgt. Dieser sogenannte „Bleizucker“, Aceteat, schmeckt wohl tatsächlich süßlich und wurde einst als Zuckerersatz für Weinsüße eingesetzt, ist aber giftig, wie man inzwischen weiß. Dazu eben der Schimmel: „Wir müssen etwas tun, wir können es nicht mehr so lassen“, sagt der Pfarrer. „Weitgehend bespielbar“ sei die Orgel aber schon. In den Gottesdiensten erfüllt sie weiter ihren Zweck. Womöglich können nur Kenner musikalische Abweichungen bei den musikalischen Tönen heraushören. Mit dem nötigen „Kleingeld“ könnte sicher viel mehr gemacht werden, sagt Bentzin. „Aber das lässt ich für uns nicht bezahlen. Wir machen also keine Restaurierung, sondern eine Konservierung, keine Kosmetik“, bringt er das dennoch anspruchsvolle Gesamtvorhaben auf den Punkt.

Auch in Monschau waren schon Restaurierungen nötig

Ohne den Kirchbauverein lasse sich die große Aufgabe also nicht bewältigen, bekräftigt er. Dieses Gremium habe auch bei der zwei Millionen Euro teuren Herrichtung der Monschauer Stadtkirche im Herzen der Stadt seinen wertvollen Beitrag geleistet. Und wie zuvor auch an der gleichfalls denkmalgeschützten evangelischen Kirche Roetgen. Hier wurde zum Beispiel vor etwa vier Jahren erhebliche Anstrengungen unternommen, um den Dachstuhl zu sichern. Dessen schwere Eichenbalken waren teilweise „nur noch Kompost“, beschreibt Bentzin den damaligen Zustand: „Die Tragfähigkeit war massiv gefährdet.“ Fertig werde man an solch einem historisch wertvollen Gebäude nie, blickt der Pfarrer und Vorsitzende des Presbyteriums der Evangelischen Kirchengemeinde Monschauer Land bereits auf die nächste anstehende Aufgabe, der weiteren Sicherung der Dach-Außenhaut und der Regenwasserableitung. „Fertig wird man hier nie, man muss immer dranbleiben.“

Kleine „Schätzchen“ lassen sich auch rund um die Orgel entdecken. Zum Beispiel die „altertümliche“ Beschriftung der vielen Knöpfe, die der Organist beim Spielen ziehen muss. Ein besonderes „Geheimnis“ birgt indes eine unscheinbare Bananenkiste auf der Orgelempore, eine „historische Trompete“. Bentzin: „Dies ist das vermutlich einzig erhaltene Register dieser Bauart der Firma Korfmacher, also auf Mitte des 19. Jahrhunderts zu datieren.“ Es wurde bei der damaligen Erweiterung abgebaut und unbeachtet zur Seite gestellt. Ihm soll bald wieder neue Geltung verschafft werden.

Im Jahr 2022 soll die Restaurierung der Orgel starten

„Die Finanzierung steht“, kann Pfarrer Jens-Peter Benzin den Beginn der Arbeiten kaum erwarten. Die Genehmigung der Unteren Denkmalbehörde bei der Gemeindeverwaltung Roetgen liegt vor. Und die kirchenaufsichtliche Genehmigung des Landeskirchenamtes wird erwartet. Auch die fachliche Begleitung durch die Obere Denkmalbehörde beim Landschaftsverband sei gesichert. Ausführen wird die Arbeiten die renommierte Orgelbaufirma Klais aus Bonn, eine Familienwerkstatt mit einer fast 140-jährigen Tradition. Sie sollen ab dem nächsten Jahr umgesetzt werden. Während der Arbeiten kann die evangelische Kirche Roetgen zeitweise nicht genutzt werden. Dann wird ins Gemeindehaus nebenan ausgewichen. Fertig sein soll das generalüberholte Instrument dann zu Ostern 2023: eine musikalische „Auferstehung“ der besonderen Art... (Text: Berthold Strauch)


Spenden sind weiterhin willkommen

Auch wenn die Finanzierung des Orgelprojekts gesichert ist, falls nichts Unvorhergesehenes dazukommt: Spenden werden weiterhin gerne entgegengekommen. „Dies entlastet uns bei anderen Aufgaben“, betont Pfarrer Jens-Peter Bentzin. Ein Spendenkonto ist eingerichtet:
IBAN DE81 3706 9642 3704 8240 16.
„Helfen würde uns auch eine Mitgliedschaft im Evangelischen Kirchbauverein Monschauer Land“ (Bahnhofstraße 2, 52152 Simmerath), sagt Bentzin. Er ist dessen Vorsitzender.