Eine ganz besondere Sitzbank

Aussortiertes Kirchenmöbel steht nun vor der JVA Aachen - Von Gefangenen als "Entlassbank" in einem ökumenischen Projekt zum Kunstobjekt umgestaltet

Es ist eine in jeder Hinsicht ungewöhnliche Bank, die Sabine Reinhold, evangelische Seelsorgerin in der JVA, sowie Margit Umbach und Pierre-Willy Ngeyitala (beide im pastoralen Dienst) an diesem Vormittag ihrer Bestimmung übergeben. Zunächst ist da der Standort, auf dem Vorplatz der Justizvollzugsanstalt (JVA) Aachen, ein wenig am Rand, aber doch so, dass die Bank auffällt. Dann ist da ihr „erstes“ Leben. Sie war einmal eine Kirchenbank, zuhause in der katholischen Kirche St. Anna in Aachen-Walheim. Und in ihrem „zweiten“ Leben dient sie nun als „Entlassbank“, als Ort, an dem die Gefangenen nach ihrer Entlassung aus der Haft die Möglichkeit haben, noch mal kurz innenzuhalten, ehe es in das Leben in Freiheit weitergeht. Und nicht zuletzt sind es die ganz individuelle Gestaltung mit Bildern und Beschriftungen und die Art, wie sie entstanden ist, die die Bank zu etwas Besonderen machen.

Angefangen hat alles Anfang des Jahres. Das Team der mobilen Kirchenbank, einer Initiative von Haupt- und Ehrenamtlichen aus mehreren katholischen Gemeinden in Aachen und Düren, hatte den Wunsch, etwas für und mit Gefangenen aus der JVA zu machen. Mit ihren Kirchenbänken (es gibt inzwischen mehrere, die so eine neue Aufgabe gefunden haben) war die Gruppe, zu der Margit Umbach und Pierre-Willy Ngeyitala (beide im pastoralen Dienst) gehören, schon häufiger an untypischen Orten unterwegs, um mit Menschen in den Austausch zu kommen. Bei Sabine Reinhold, evangelische Seelsorgerin in der JVA, stießen sie sofort auf Interesse. Der Beginn einer fruchtbaren ökumenischen Zusammenarbeit. Gerne wollten sie mehr machen als die Häftlinge nur zu besuchen und die Idee, selbst eine Bank mit einigen von ihnen zu gestalten nahm Gestalt an.

Fünf Häftlinge haben die Bank gestaltet

Auf Sabine Reinholds Vorschlag hin entschied sich das Team, zu dem auf katholischer Seite noch Yasmin Raimundo als weitere Hauptamtliche im pastoralen Dienst und Johannes Rueben als Ehrenamtlicher gehören, aus einer alten Kirchenbank eine Entlass- und Angehörigenbank zu machen. Gemeinsam mit fünf Gefangenen machten sie sich ans Werk. Über drei Monate hinweg trafen sie sich einmal in der Woche zum Austausch und Gestalten der Bank. Dabei sollte jeder einbringen, was ihn persönlich bewegt und berührt. Als Oberthema entschieden sie sich für „Weg“; der Weg durch die Zeit in Haft und der Weg in das Leben nach der Entlassung.

Für Sabine Reinhold haben sich in dem Projekt Dinge zusammengefügt, die ihr wichtig sind: ein religiöses Projekt, das Raum bietet für Gespräche über das, was kommt, verbunden mit gemeinsamer praktischer Arbeit. „Über das handwerkliche Arbeiten ist ein Zusammenhalt entstanden, eine Wertschätzung und die Möglichkeit etwas auszudrücken.“ Auch über ihre Beziehung zu Gott und Glauben. Im Haus hätten sie von allen Seiten große Unterstützung erfahren. So hat eine andere Gruppe der JVA für die Reihe „Podknast“ einen kurzen Film über das Projekt gemacht. „Schön, dass andere das so auch zu ihrem Projekt gemacht haben.“

"Die Häftlinge sind mehr als das Delikt, für das sie einsitzen"

Beeindruckt hat Sabine Reinhold besonders der Spruch, den einer der Häftlinge auf eine Seite der Bank geschrieben hat: „Gott schütze dieses Haus und alle, die da gehen ein und aus.“ Das von jemanden, der eben nicht ein und aus gehen könne, wie er wolle, sei schon stark. „Das meint ja nicht nur besuchende Angehörige, sondern auch den Anwalt oder den Richter, der vielleicht entscheidet, dass man nicht nach zweidrittel der Strafe entlassen wird“, sagt Sabine Reinhold.

Auch für die vier, die von außerhalb in die Haftanstalt gekommen sind, war das Projekt eine intensive Erfahrung. Sie hätten sich keinen Moment unsicher gefühlt oder „im Knast“, wie Margit Umbach und Pierre-Willy Ngeyitala erklären. „Wir haben viel gelernt aus und über eine Welt, zu der man sonst keinen Zugang hat. Da ist Berührung entstanden“, sagt Margit Umbach. Sabine Reinhold ergänzt: „Man kann sich gar nicht vorstellen, wie wertvoll es für die Männer ist, die hier einsitzen, wenn Leute von außen kommen und sich Zeit für sie nehmen. Es gibt ihnen das Gefühl, mehr zu sein als das Delikt, für das sie einsitzen.“ Für all das steht die gemeinsam gestaltete Bank als eine Zwischenstation und Verbindung zwischen zwei Welten.

Text: Andrea Thomas