„Jeder hinterlässt Spuren“

Denkmal erinnert auf dem Aachener Friedhof Hüls namentlich an Menschen, die das Ordnungsamt bestattet hat

Die Wiese wird geteilt durch einen Weg, vereinzelt liegen Kränze oder Blumen auf der Rasenfläche, selten kleine Gedenktafeln. An einer Stelle ist ein frisches Grab zu erkennen. An Menschen, die vom Ordnungsamt bestattet werden, weil sie keine Angehörigen haben, die sich um die Beerdigung kümmern können oder wollen, erinnert oft nicht sehr viel. Bei den 359 Männern und Frauen, die auf dem Aachener Friedhof Hüls auf dem zweiten Gräberfeld für Ordnungsamt-Bestattungen in den vergangenen drei Jahren ihre letzte Ruhe gefunden haben, ist das anders. Ein Denkmal bewahrt ihre Namen.
„Der Name eines Menschen ist wichtig. Er ist seine Identität und Ausdruck seiner Würde“, sagte Pfarrerin Bettina Donath-Kreß bei der Einweihung des zweiten Denkmals. Am ersten Gräberfeld bilden Namenssteine einen Weg zum Kreuz, am zweiten umrahmen Stehlen mit den Namen der Verstorbenen eine steinerne Figur, die aus einem Rahmen getreten ist. „Menschen treten aus ihrem Lebensrahmen heraus. Der Rahmen weist jetzt eine Lücke auf, denn jeder hinterlässt Spuren“, so Donath-Kreß.

Individuelle Geschichten

Auch Menschen, die keine Familie haben. „Viele Menschen glauben, hier liegen nur Obdachlose oder Arme. Dem ist mitnichten so“, erläuterte die Pfarrerin, die häufiger die Trauerfeiern für Ordnungsamt-Bestattungen gestaltet. „Ich bekomme nur einen Namen mit einem Geburts- und Sterbedatum. Aber dahinter stecken sehr individuelle Lebensgeschichten“, erläuterte sie in ihrer Andacht.
Das kann der lebenslustige Junggeselle mit einem großen Freundeskreis sein oder die Mutter eines schwerkranken Mannes, der gesundheitlich nicht einmal in der Lage war, an der Beerdigung teilzunehmen, geschweige denn, sie zu organisieren. Ein Mensch mit Behinderung, der seine Familie seit Jahren in einer Einrichtung gefunden hat, die aber nicht mit ihm verwandt ist, liegt hier ebenso wie der Einsame, den drei Wochen niemand vermisst hat, bevor er tot in seiner Wohnung gefunden wurde. „Gemeinsam ist ihnen nur, dass sie keine Angehörigen haben, die sich um die Bestattung kümmern“, sagte Donath-Kreß. „Und dass sie alle einmalige, unverwechselbare – kostbare – Menschen waren.“

Niemand soll spurlos gehen

An diese Menschen wird in der Stadt Aachen seit 2013 jedes Jahr in einem öffentlichen Gedenken erinnert, spendenfinanzierte Denkmäler verhindern das Vergessen ihrer Namen. In nicht vielen Städten des Landes wird so verfahren, im Extremfall werden die Toten eingeäschert und ohne Abschied und einen Hinweis an sie begraben.
In Aachen wurden sie bis 2013 auf freien Grabstellen bestattet, ein Holzkreuz wies auf den Verstorbenen hin, doch das verwitterte mit der Zeit, Grabumrandung und Bepflanzung waren nicht vorgesehen.
„Kein schöner Anblick“, erinnert sich Donath-Kreß. Das wusste auch die Stadt, deshalb trafen Vertreterinnen und Vertreter der Aachener Kirchen mit ihrer Initiative, diese als würdelos empfundene Bestattungsweise zu verändern, auf offene Ohren. Seitdem ziehen städtische und kirchliche Vertreter im Arbeitskreis Bestattungskultur an einem Strang. „Spurlos soll hier niemand gehen. Das verträgt sich nicht mit unserer Vorstellung von Stadtgemeinschaft“, bestätigte Stadtdirektorin Annekathrin Grehling. „Respekt ist unverzichtbar.“
Wegen der Pandemie musste das öffentliche Gedenken allerdings jetzt bereits zum zweiten Mal abgesagt werden. Die Einweihung des zweiten Denkmals bot dennoch die Gelegenheit, den Verstorbenen ein Grablicht und einen letzten Gruß mit auf den Weg zu geben. (Text: Rauke Xenia Bornefeld)