Gedanken zur Corona-Krise: "Den Nächsten nicht im Stich lassen und füreinander einstehen"

Superintendent Bruckhoff: "Immer wieder neu anfangen, neu das Hören lernen, neugierig werden für Gottes Spuren in unserer Gegenwart" - In Gottesdiensten, im Gebet und im Geist sind wir miteinander verbunden

Menschen werden müde in diesen Zeiten von Corona in zu engen Wohnsituationen, in angespannten Lebensverhältnissen, angesichts gesundheitlicher, wirtschaftlicher und existentieller Sorgen. Jetzt ist es wichtig, dass wir den Nächsten nicht im Stich lassen, füreinander einstehen. Das können wir nicht einfach anderen überlassen, sondern sind selbst gefragt. Wir brauchen einander hier bei uns, in Europa und in der ganzen Welt!

Im Prophetenbuch Jesaja heißt es:

Gott der HERR hat mir eine Zunge gegeben, wie sie Jünger haben, dass ich wisse, mit den Müden zu rechter Zeit zu reden. Alle Morgen weckt er mir das Ohr, dass ich höre, wie Jünger hören. Gott der HERR hat mir das Ohr geöffnet. (Jesaja 50, 4)

Erstaunliche Alltagserfahrungen in diesen Zeiten

Menschen machen in diesen Zeiten von Corona erstaunliche Alltagserfahrungen. Da klebt ein Zettel im Fahrstuhl des Hochhauses: „Liebe Nachbarn, wenn Sie Hilfe beim Einkaufen, beim Arztbesuch und bei Besorgungen brauchen, melden Sie sich bei dieser Telefonnummer.“  Da erleben wir viele kleine und große Begegnungen und tolle Ideen der Alltagshilfe gewinnen Gestalt. All das lässt uns spüren: wir sind nicht allein trotz des Abstandes, den wir voreinander einhalten müssen.

Jesaja benennt das eine, was wir jetzt brauchen: zu wissen, wie man mit den Müden zur rechten Zeit redet. Wo gab es in diesen Tagen und Wochen Situationen, in denen das für Sie zu spüren war: einander zuhören und miteinander reden am Telefon oder bei einem Spaziergang? Solche Worte und Gespräche sind Hilfe für unsere Seelen. Die Phantasie der Nächstenliebe macht erfinderisch und treibt Blüten in diesen Zeiten.

Worten, denen Hoffnung und Kraft innenwohnt

Wie kommen wir zu Worten, die uns berühren, die uns erreichen, die etwas aussagen, denen Hoffnung und Kraft innewohnt?

Alle Morgen weckt er mir das Ohr, dass ich höre, wie Jünger hören. Gott der HERR hat mir das Ohr geöffnet.

Aus dem Hören auf Gottes Wort, der Stille, dem Schweigen, dem Zulassen der eigenen Bedürftigkeit im Angesicht Gottes erwächst uns diese Offenheit füreinander. So feiern wir Gottesdienste und sind im Gebet und im Geist miteinander verbunden. Damit wir so hinhören, muss Gott uns das Ohr öffnen. Gerade im Glauben bin und bleibe ich ein Gott Suchender, ein Hinhörender und Fragender und nicht einer, der schon alles weiß.

Der Blues-Sänger Keb`Mo  schreibt in einem seiner songs: „ … es kann ein Telefonanruf sein, es kann ein Gespräch im Bus sein, vielleicht ist es in der Schule oder an deinem Arbeitsplatz, im Fernsehen und  in den Nachrichten oder in deinen Gedanken, es kann überall sein und geschehen, dass Gott deine Aufmerksamkeit will“.

"God is still speaking!"

Die United Church of Christ hat ein Motto: “God is still speaking. Gott spricht auch heute noch. Setze keinen Punkt, wo Gott ein Komma gesetzt hat.“ Also mach keinen Schlusspunkt, wo es nach Gottes Willen mit dir noch weitergeht.  In unseren Beziehungen und Bemühungen, in der Geduld mit uns selbst und in der Hoffnung für die Welt dürfen wir auch in Zeiten von Corona immer wieder neu anfangen, neu das Hören lernen, neugierig werden für Gottes Spuren in unserer Gegenwart.

Wir gehen in den kommenden Wochen auf das Pfingstfest zu und hoffen auf Gottes guten Geist, der uns all das gibt, was wir brauchen: „Denn Gott hat uns nicht gegeben den Geist der Furcht, sondern der Kraft und der Liebe und der Besonnenheit.“ (2. Timotheus 1, 7)

Bleiben Sie behütet!

Hans-Peter Bruckhoff
Superintendent