Telefonseelsorge fordert: Suizid nicht tabuisieren

Zum Welttag der Suizidprävention am 10. September - Das Gespräch mit suizidalen Menschen ist wichtig

Die TelefonSeelsorge Deutschland (TSD) ermutigt mit Blick auf den Welttag der Suizidprävention am 10. September zu mehr Dialogfähigkeit bei dem schwierigen Thema Suizidalität.

„Über Suizid wird zu wenig geredet“, sagen Frank Ertel und Michael Hillenkamp, Vorsitzende der TelefonSeelsorge Deutschland. „Wenn jemand das Thema anspricht, stößt er meistens auf Hilflosigkeit und Überforderung beim Gegenüber. Das möchten wir ändern, indem wir auf die Bedeutung von Dialogen auch zum Thema Suizid hinweisen.“

Der Umgang mit dem Thema Suizid in Krisengesprächen gehört zur Kernkompetenz der TelefonSeelsorge. „Es ist nicht so, wie viele Menschen glauben, dass wir in jedem Gespräch mit akuten Suizidgedanken oder -absichten konfrontiert sind“, so Michael Hillenkamp. „Doch Suizidgedanken werden am Telefon immer wieder geäußert – und viel häufiger in Mail- und Chat-Wechseln. Sie verlangen den ehrenamtlich Engagierten enorm viel ab."

Latente Suizidalität

Viel häufiger als diese akute ist eine latente Suizidalität, die oft gar nicht als solche ausgedrückt wird. Unter ihr leiden insbesondere Menschen, die dauerhaft in bedrückenden Umständen leben müssen: Einsamkeit, schwere körperliche oder psychische Erkrankungen, unbewältigte Traumata, wirtschaftliche Not.
Dazu erklärt Frank Ertel: „In einem von Offenheit und Zugewandtheit geprägten Gespräch können unsere Seelsorgerinnen und Seelsorger durchaus fragen, ob das Gegenüber unter Suizidgedanken leidet. Dadurch wird niemand auf solche Gedanken gebracht, der sie nicht schon hatte – und Betroffene machen die Erfahrung, dass auch dieses Thema besprochen werden kann. Bei vielen lässt dadurch der Druck der quälenden Gedanken zumindest für eine Weile nach.“

Informationen zur Suizidprävention

Die TelefonSeelsorge veröffentlicht auf ihrer Website Informationen zur Suizidprävention. Sie sollen Betroffenen Hilfestellung bieten und zur Stärkung des gesellschaftlichen Dialogs beitragen:

  • das „Handbuch Suizidprävention: Niemand bringt sich gerne um“;
  • die „Handreichung bei Suizidankündigungen“ zum Umgang mit akuter Suizidalität von Angehörigen oder Freunden;
  • den Essay „Suizidprävention – eine Kernkompetenz der Telefonseelsorge“ mit einem Schwerpunkt auf dem Thema latente Suizidalität.

Alle diese Texte und dazu einen Essay „Suizidprävention – eine Kernkompetenz der Telefonseelsorge“ darüber, warum das Gespräch mit suizidalen Menschen wichtig ist, gibt es zum Download unter https://www.telefonseelsorge.de/suizidpraevention/.

Laut statistischem Bundesamt sind 2020 etwa 9.200 Menschen in Deutschland an Suizid gestorben. Damit übersteigt ihre Zahl deutlich die Zahl der durch Verkehrsunfälle, Mord und Totschlag, illegale Drogen und AIDS zu Tode Gekommenen. Schätzungen gehen von weit über 100.000 Suizidversuchen aus. (Quelle: www.naspro.de/dl/Suizidzahlen2020.pdf)

Alle Beratungsangebote sind anonym und kostenfrei

Die TelefonSeelsorge verfügt über langjährige Erfahrung in der Beratung von Menschen in suizidalen Krisen. Der Umgang mit diesem Thema ist wesentlicher Bestandteil der Ausbildung neuer Seelsorgender. Neben dem rund um die Uhr besetzten Telefon bietet die TelefonSeelsorge Krisenberatung seit über 25 Jahren auch online (per Mail und Chat) an. An über 20 Standorten gibt es zudem Angebote für eine Beratung vor Ort. Suizidgefährdete oder vom Suizid Angehöriger Betroffene finden außerdem Hilfestellungen zur Einschätzung der Situation oder zum Umgang mit Trauer in der von TelefonSeelsorge entwickelten, kostenlosen App „KrisenKompass.“

Mit rund 7.700 geschulten Ehrenamtlichen in 104 Städten oder Regionen ist die TelefonSeelsorge deutschlandweit tätig. Um möglichst vielen Menschen den Zugang zu ermöglichen, stehen Mitarbeitende ganzjährig rund um die Uhr am Telefon zur Verfügung. Die TelefonSeelsorge berät Menschen jeder Nationalität, jedes Geschlechts, jeder Konfession und jedes Alters. Sie verpflichtet sich zu weltanschaulicher Neutralität. Alle Beratungsangebote, auch die Vorort-Beratung, sind anonym und kostenfrei. Seit 1995 bietet TelefonSeelsorge auch Online-Beratung, zunächst per Mail, inzwischen zusätzlich auch per Chat an. Sie wird von rund zwei Drittel der Dienststellen zusätzlich zum rund um die Uhr erreichbaren Telefondienst angeboten.

2021 wurden 989.160 telefonische und 47.442 persönliche Beratungsgespräche geführt. Es wurden 43.635 Mails geschrieben und es wurde 32.023-mal gechattet. Dank der Unterstützung der Deutschen Telekom sind die Telefonnummern 0800/1110111 und 0800/1110222 seit 1997 gebührenfrei.