Verkaufsoffene Sonntage: "Im Leben gibt es mehr als Arbeit und Konsum"

Superintendent Bruckhoff spricht sich gegen Ausweitung der Sonntags-Öffnungen aus - Sonntag ist als gemeinsamer Ruhetag geschützt

NRW-Wirtschaftsminister Andreas Pinkwart (FDP) hat am Mittwoch wegen der Corona-Krise bis zu vier weitere verkaufsoffene Sonntage im zweiten Halbjahr 2020 angekündigt. Der Handel könne dadurch entfallenen Umsatz kompensieren und besser von der Mehrwertsteuersenkung profitieren, sagte er. Der Evangelische Kirchenkreis Aachen lehnt - ebenso wie die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) - diesen Beschluss entschieden ab.

Die vom Wirtschaftsminister angeführten Argumente überzeugten ihn nicht, sagte Pfarrer Hans-Peter Bruckhoff, der Superintendent des Ev. Kirchenkreises Aachen. Einerseits solle mit der Ausweitung der verkaufsoffenen Sonntage die Wirtschaft angekurbelt werden. "Hier stellt sich aber die Frage, inwiefern eine Ausdehnung der Öffnungszeiten wirklich zu mehr Umsatz führt", so Bruckhoff. Diesem wirtschaftlichen Interesse widerspreche dann das andere Argument, man wolle durch vermehrte Einkaufszeiten die Anzahl der Konsumenten strecken und ausdünnen und so einen aktiven Schutz in Corona-Zeiten erreichen. Bruckhoff: "Hier gebe ich zu bedenken, ob nicht eine Verschiebung von Einkäufen von der Woche hin zum Sonntag erfolgt und damit eine höhere Konzentration. Ob in diesen Zeiten der Kurzarbeit und der wirtschaftlichen Einbußen, Menschen vordringlich mehr Konsummöglichkeiten brauchen, ist eine weitere Frage."

Sonntag genießt nach wie vor verfassungsrechtlichen Schutz

Superintendent Bruckhoff verwies auf die gemeinsame Erklärung "Sonntag muss Sonntag bleiben", welche der Bischof von Aachen, der DGB-Vorsitzende der Region NRW Süd-West und die Superintendenten der Evangelischen Kirchenkreise Aachen und Jülich gemeinsam veröffentlicht haben und in der sie sich für den Schutz des Sonntages aussprechen. Superintendent Bruckhoff sagte: "Wir halten wir als Kirche daran fest: Der Sonntag als kollektive und individuelle Zäsur in der Woche genießt nach wie vor verfassungsrechtlichen Schutz. So heißt es im Grundgesetz: „Der Sonntag und die staatlich anerkannten Feiertage bleiben als Tage der Arbeitsruhe und der seelischen Erhebung gesetzlich geschützt.“  Das bedeutet: In unserem Leben gibt es noch mehr als Arbeit und Leistung, Konsum und Vermögen.

Sonntag unterbricht heilsam den Alltag

Der Sonntag als gemeinsamer Ruhetag entspricht dem fürsorglichen Lebensrhythmus, den Gott für seine Schöpfung vorsieht. Dieses Zeichen gilt nach dem biblischen Menschenbild allen Menschen und der gesamten Schöpfung und lässt jede und jeden Einzelnen die menschliche Würde spüren, die ihnen zugesprochen ist, unabhängig von der eigenen Leistungsfähigkeit und dem eigenen Vermögen. So unterbricht der Sonntag heilsam den Alltag mit seinen beruflich und sozial festgelegten Rollen und Positionen. Er ermöglicht Begegnung und gemeinsames Feiern ganz unterschiedlicher Menschen.

Zeiten der gemeinsamen Stärkung und Ermutigung benötigt

Wir brauchen gerade heute in allem Schrecken über Krieg und Terror, in der Anfeindung durch Hass und Vorurteile und in der sozialen Vereinsamung durch viele Ängste mehr solche Zeiten der gemeinsamen Stärkung und Ermutigung. Der Sonntag ist und bleibt heilig. Er dient dem menschenwürdigen Lebensrhythmus und stärkt den Zusammenhalt einer Gesellschaft. Das sollten wir bedenken im Aushandeln der konkreten Kompromisse."