50. Geburtstag, ein markantes Datum – für Menschen, aber auch für Kirchen und ihre Gemeinden. Man schaut zurück auf fünf Jahrzehnte Erlebtes und Erfahrenes, auf gute und weniger gute Zeiten, steht gegenwärtig mitten im (Gemeinde-)Leben und hat noch was vor für die Zukunft, zieht Bilanz und erfindet sich ein Stück weit noch einmal neu. Am Sonntag, 8. Dezember, feierte die Aachener Friedenskirche - gelegen zwischen Pass- und Lombardenstraße - ihren 50., den das Pfarrteam passenderweise unter die Überschrift „Zukunft trifft Vergangenheit“ gestellt hat.
„Wohnzimmer-Kirche“ löste 1974 Holz-Tipi ab
Eine Kirche ohne Glockenturm
Am zweiten Advent 1974 wurde die Friedenskirche eingeweiht. Sie ersetzte die nach dem Krieg auf dem Gelände errichtete Notkirche in Form eines Holz-Tipis. Keine weithin als solche zu erkennende Kirche mit Glockenturm, sondern von außen eher schlicht und innen flexibel und für eine vielfältige Nutzung konzipiert. Die Idee sei gewesen, eine Begegnungsstätte für Jung und Alt zu schaffen, mit Raum für Gottesdienste ebenso wie für Kinder- und Jugendarbeit und einer Altentagestätte im Untergeschoss, die ebenerdig zu erreichen ist. „Das ist, was die Kirche von Anfang an ausgemacht hat“, erklärt Pfarrer Jan Lübking, der sich anlässlich des Jubiläums mit der Geschichte der Friedenskirche beschäftigt hat. Er selbst ist erst seit vergangenem Jahr ein Teil davon, bildet gemeinsam mit Pfarrer Hans Christian Johnsen das Pfarrteam für den Bereich Aachen-Nord. Dazu gehören neben dem Geburtstagskind auch die Christuskirche in Haaren und die Versöhnungskirche in Eilendorf.
Gemeindeleben im ständigen Wandel
Rüdiger Schaller und Elisabeth Popien sind schon länger mit Kirche und Gemeinde aktiv verbunden. Rüdiger Schaller ist seit den 80er-Jahren Gemeindemitglied und war von 1992-2008 Mitglied des Presbyteriums. Elisabeth Popien ist 1994 mit ihrem Mann, Pfarrer Olaf Popien, an die Friedenskirche gekommen und ist ihr bis heute, auch nach dem Tod ihres Mannes 2021, als Kirchenmusikerin verbunden. Beide erinnern sich gut an „ein lebendiges Gemeindeleben“ über die Jahre hinweg, mit immer mal wieder etwas anderen Schwerpunkten. In den ersten Jahren hatte die Seniorenarbeit einen stärkeren Akzent. Mit dem Ehepaar Popien, das als junge Pfarrersfamilie in die Gemeinde kam, die Kinder- und Jugendarbeit. „Zu der Zeit gab es eine sehr engagierte Jugendreferentin, die mit meinem Mann ein gutes Team bildete“, erinnert sich Elisabeth Popien. Gemeinsam hätten sie viel entwickelt. Als Beispiel nennt sie die „Rocknacht“ zur „Nacht der offenen Kirchen“. Wenn es woanders eher meditativ zugegangen sei, sei es bei ihnen laut geworden. „Mein Mann war E-Gitarrist“, erklärt sie den Ursprung.
Kirchraum oder Wohnzimmer?
Prägend seien auch die Kunstprojekte gewesen, die Jugendreferentin Andrea Scholz mit Jugendlichen gemacht hätte und die immer wieder als Ausstellungen in der Kirche zu sehen gewesen seien. Das sei möglich, weil die eine „Wohnzimmer-Kirche“ sei, mit Teppichboden, flexibler Bestuhlung und „immer so gut geheizt, dass man seine Jacken an der Garderobe aufhängen kann“. Das flexible Nutzungskonzept ermögliche vieles, weil die Kirche keinen natürlichen Fluchtpunkt habe, ergänzt Pfarrer Jan Lübking. Das sei mitunter „etwas schräg“, biete aber auch Chancen, die andere Kirchenräume so nicht hätten.
Neue Möglichkeiten und Konzepte durch das Pfarrteam in Aachen-Nord
Nach einigen „nicht immer leichten letzten Jahren“, wie Rüdiger Schaller und Elisabeth Popien es beschreiben, in denen sie ohne Pfarrer gewesen seien, steht die Gemeinde am 50. Geburtstag ihrer Kirche vor einem neuen Kapitel. Wo es früher „ein Pfarrer gleich eine Gemeinde“ hieß, sind nun zwei Pfarrer für drei Kirchen und ihre Gemeinden zuständig. „Wir haben noch in der Gemeinde gewohnt und die Menschen wussten, sie können immer klingeln.“ Das habe sich gewandelt. Ziel von Jan Lübking und seinem Kollegen Hans Christian Johnsen ist es, Konzepte zu entwickeln, die die Menschen in allen drei Gemeinden in Aachen-Nord mitnehmen. „Wichtig ist vorhandene Traditionslinien weiterzuentwickeln“, sagt Jan Lübking mit Blick auf die Friedenskirche. In der Jugendarbeit hätten sie mit Jugendreferentin Katharina Fraenkel einen guten Anfang gemacht. Gut 30 Kinder beteiligen sich am diesjährigen Krippenspiel und auch die Kindergottesdienste stießen wieder auf großes Interesse. Daneben öffnet das „Café Jungbrunnen“ viermal in der Woche seine Türen für die ältere Generation. Auch hier wird es darum gehen, Bedarf, Wünsche der Besuchenden und begrenztes Personal gut weiterzuentwickeln. „Was andere Dinge angeht, sind wir derzeit auf der Suche und in der Entwicklung. Mal schauen, wohin der Weg geht.“
Klassischer Gottesdienst oder doch lieber mit Yoga?
So ist ein gemeinsames Ziel aller drei Kirchen bis 2030 klimaneutral zu werden. Außerdem startet zum Jahresbeginn eine halbjährige Probephase, in der sie neue und andere Gottesdienstzeiten und Formate ausprobieren wollen. So soll jeder Sonntag im Monat ein eigenes Profil haben: Am ersten Sonntag im Monat findet in der Versöhnungskirche ein besonders musikalisch geprägter Gottesdienst statt, am zweiten Sonntag gibt es ein besonderes Angebot in der Christuskirche (im Januar, März und Mai die generationenübergreifende „Kirche Kunterbunt“ und im Februar, April, Juni einen „Gottesdienst aus dem Leben“), am dritten Sonntag findet in der Friedenskirche ein „klassischer“ Sonntagsgottesdienst mit neuer Liturgie und Kindergottesdienst statt und am vierten und fünften Sonntag eines Monats ist Zeit für neue und ungewöhnliche Formate, wie einen Literatur-Gottesdienst oder einen Aktiv-Gottesdienst mit Yoga, Wandern oder Workout. Diese Experimentiergottesdienste werden abwechselnd in allen drei Kirchen stattfinden. Geplant sind außerdem zweimal im Monat „After-Work-Gottesdienste“.
Ohne Ehrenamtliche kaum möglich
All das soll mit den Menschen in den Gemeinden und den Ehrenamtlichen gemeinsam weiterentwickelt werden. „Wir wollen stärker auf Partizipation setzen und den Blick über die Kerngemeinde hinaus weiten“, sagt Jan Lübking. Die Menschen vor Ort seien die Verbindung zur Kirche. Mit Blick auf die Friedenskirche gilt sein Dank da besonders den Ehrenamtlichen, die in den vergangenen, schwierigen personellen Zeiten beeindruckendes geleistet und die Gemeinde mit viel Herzblut getragen hätten.
Das Festprogramm zum Jubiläum
Das „Geburtstagsfest“ der Friedenskirche am Sonntag, 8. Dezember, beginnt um 11 Uhr mit einem festlichen Gottesdienst mit Superintendentin Verena Jantzen unter Mitwirkung des Kirchenchors Aachen-Nord. Im Anschluss gibt es Sekt und Suppe und ein buntes Programm. Um 13 Uhr ist gemeinsames Adventsliedersingen geplant und um 14 Uhr ein Erzählcafé. Zwischen 13.30-15.30 Uhr gibt es ein Kinderprogramm mit Basteln, Kekse verzieren und Vorlese-Aktion. Den Abschluss bildet um 15.30 Uhr das Kirchenkabarett „Die Protestantischen Printen“.
(Text: Kirchenkreis Aachen / Andrea Thomas)