Entwidmung der Kirche in Harperscheid: „In Trauer und Abschied nicht stehenbleiben“

Gemeinde bringt Bibel, Taufschale und Abendmahlsgeräte im Entwidmungsgottesdienst in die Ev. Kirche Schleiden – Trotz Wehmut jetzt nach vorne schauen – Gebäude steht zum Verkauf

Seit dem Jahr 1861 hatten sich evangelische Christen in der Harperscheider Kirche zum Gottesdienst versammelt. Am Sonntag war es nun das letzte Mal, denn die kleine Kirche im Eifeler Höhendorf nahe Schleiden muss geschlossen werden. Etwas mehr als 80 Gemeindeglieder nahmen an dem Entwidmungsgottesdienst teil, der in Harperscheid begann und in Schleiden endete. Bibel, Taufschale und Abendmahlsgeräte nahm die Gemeinde symbolisch mit in die Schleidener Kirche, wo dann gemeinsam das Abendmahl gefeiert wurde.

Viele hatten sich schon an Heiligabend verabschiedet

Für viele Gemeindeglieder sei wahrscheinlich schon der Heiligabend-Gottesdienst in Harperscheid der Gottesdienst gewesen, bei dem sie sich von ihrer Kirche verabschiedet hätten, vermutet Pfarrer Erik Schumacher. „Vielen war es wichtig, mit einem strahlenden, schönen Bild Abschied zu nehmen“, meint er. „Wer heute hier war, der konnte sich auch darauf einlassen. Ich habe die Stimmung als traurig, aber gefasst, wahrgenommen.“ In seiner Predigt zur Entwidmung der Kirche gelang es Schumacher auf sehr einfühlsame Weise, einen Bogen zu schlagen zwischen den Gefühlen von Enttäuschung und Wehmut über den Abschied hin zu Trost und Verheißung.

"Hier war die Nähe Gottes spürbar"

„Dies ist heute kein einfacher Gottesdienst, und viele von Ihnen, viele auch von uns in der Gemeindeleitung, haben diesem Tag, an dem die Entwidmung dieses Gotteshauses real wird, mit Bedrückung entgegengesehen“, sagte Pfarrer Schumacher. Er erzählte, wie in den Jahren um 1850 das Bedürfnis in Harperscheid nach einer angemessen großen Gottesdienststätte offenbar so dringend war, dass der damalige Schleidener Pfarrer David Küllenberg eine Spendenaktion im ganzen Rheinland organisierte, um Mittel für den Kirchenbau einzuwerben. Die Dorfbewohner selbst trugen damals neben Geld auch Baumaterial und ihre Arbeitszeit bei, bis die Kirche am 29. September 1861 schließlich eingeweiht werden konnte. Pfarrer Schumacher: „Hier war die Nähe Gottes spürbar und hier wurde Segen erfahren. Und es erfüllt uns mit Schmerz, dass heute nun die Geschichte regelmäßiger Gottesdienste an diesem Ort endet.“

"Schlichter Saalbau" mit großer Bedeutung für die Gemeindeglieder

Die Evangelische Kirche in Harperscheid wird in einer Übersicht der Bau- und Kunstdenkmäler des Kreises Euskirchen beschrieben als „unmittelbar an der Straße gelegener schlichter Saalbau von drei Fensterachsen Länge aus verputztem Bruchstein mit Gliederungen aus Haustein; in die Eingangsfront eingebauter schlanker Turm mit geknickter achtseitiger Schieferpyramide“. Der Saal ist 13,65 Meter lang und 7,85 Meter breit. Die Einrichtung folgte dem Schema der barocken Saalkirche mit Orgelbühne an der Eingangsseite und Kanzel-Altar an der Chorwand, das auch die Mutterkirche in Schleiden zeigt. Welche Bedeutung dieser vermeintlich „schlichte Saalbau“ jedoch für das Leben der Gemeindeglieder hatte, formulierte Dorothea Riedel zu Beginn des Gottesdienstes: „Ungezählte Menschen haben Gott in dieser Kirche gesucht, in Gemeinschaft mit anderen oder allein, Menschen mit Sorgen, mit Chaos in der Seele oder Trauer im Herzen und Menschen voll Freude und Dank. Kranke haben mit dir gehadert. Eltern haben ihre Kinder zur Taufe gebracht. Paare haben geheiratet, Trauernde haben dir ihr Leid geklagt.“

Kirche in Heimbach wird ebenfalls entwidmet

Dennoch musste die Kirchengemeinde, die bisher über sechs Kirchenbauten verfügte, im Jahr 2018 die schwere Entscheidung treffen, ihre Ressourcen an weniger Standorten zu konzentrieren, da sowohl die Gemeindegliederzahlen als auch die finanziellen Mittel abnehmen. Die Kirche in Heimbach wird deshalb ebenfalls entwidmet werden. Ein Termin hierfür steht noch nicht fest. Das Gebäude soll von der Stiftung EvA übernommen werden. Die Stiftung will dort weiterhin Gemeinwesenarbeit anbieten. Die Gemünder Kirche wird inzwischen als „Kulturkirche“ genutzt, in der auch Konzerte, Lesungen und Ausstellungen stattfinden. Über ihre Zukunft soll im Jahr 2023 neu beraten werden. Erhalten bleiben als Kern-Standorte die Kirchen in Schleiden, Hellenthal und Kall.

Auszug und Umzug in die Mutterkirche in Schleiden

In seiner Predigt zog Pfarrer Erik Schumacher eine Parallele zur Situation des Volkes Israel, die im Buch des Propheten Jesaja, Kapitel 61, Verse 1-4 und 10-11, geschildert wird. „Die Geschichte von uns als Gemeinde hier in dieser Region mit dem unter uns wohnenden Namen Gottes geht weiter!“, sagte er. „Dafür steht der symbolische Auszug und Umzug der Gemeinde von hier in die nur wenige Kilometer entfernte Kirche in Schleiden. Unsere Gemeinde bietet nach wie vor und nicht weit entfernt vielfältig die Möglichkeit zum Gebet, zum Gesang, zum Hören auf das Wort, zum Feiern der Gottesdienste.“ Auch den älteren Gemeindegliedern und denen, die nicht mobil sind, werde in Zukunft der Zugang zum Hause Gottes ermöglicht. Die Wahrheit, Gerechtigkeit und Trostbotschaft Gottes hänge nicht an menschlichen Gebäuden, sondern sei überall dort präsent, wo Menschen sie suchen.

Neuanfang als ermutigende Perspektive

Diesen Gedanken bekräftigte Pfarrer Hans-Peter Bruckhoff, der Superintendent des Kirchenkreises Aachen, im Gespräch nach dem Gottesdienst, beim Kirchenkaffee im Gemeindehaus Schleiden. „Ich fand es gut, dass im Gottesdienst Raum dafür war, Gefühle auch der Wut und der Enttäuschung auszudrücken“, sagte er. „Der Gottesdienst gab aber auch Trost und machte deutlich: Gott zieht uns weiter. Wir dürfen in Trauer und Abschied nicht stehenbleiben, sondern müssen auf das Neue sehen. Das Neue mag nicht einfach sein, aber es ist nicht immer nur ärmer und weniger, sondern oft auch ein Neuanfang. Diese Perspektive ist ehrlich und ermutigend für uns als Gemeinde.“

Kirche ist im Wandel

Als eine Presbyterin, die selbst aus Harperscheid stammt, war auch Doris Kupp nach dem Gottesdienst noch mit zum Beisammensein im Gemeindehaus gekommen. Wie anderen Harperscheidern ging ihr die Entwidmung sehr nahe, und sie habe sich lange dagegen gesträubt, sagte sie. Als sie gefragt worden sei, ob sie dabei mithelfen wollte, Abendmahlsgeräte aus der Kirche hinauszutragen, habe sie ablehnen müssen, da dies ihr zu schwergefallen wäre. „Trotz allem habe ich den Gottesdienst heute als tröstend und nach vorne schauend empfunden“, sagte sie. „Die Kirche ist im Wandel, und da müssen wir nach vorne schauen.“  Als zukünftige Nutzung wäre es am Schönsten, wenn das Kirchengebäude weiterhin für kulturelle und festliche Zwecke genutzt werden könnte, meinte Doris Kupp. „Es gab schon Interessenten, die sie vielleicht als Eventkapelle, für Hochzeiten oder Trauerfälle nutzen würden“, meinte sie. „Das fände ich persönlich am besten.“

Schon vielversprechende Interessenten für den Kauf des Kirchengebäudes

Mit der Suche nach Interessenten zum Kauf des Gebäudes ist eine örtliche Immobilienagentur beauftragt worden. Als Presbyteriumsvorsitzender ist Pfarrer Christoph Ude für diesen Aspekt der Kirchenschließung zuständig. „Es gab bisher recht großes Interesse“, sagte er. Mehr als 20 Personen hätten sich das Gebäude bereits angesehen und bei einigen klangen die Vorhaben vielsprechend. Denkbar seien beispielsweise die Nutzung als Veranstaltungsort, Wohnhaus, Gästehaus oder Galerie. Christoph Ude: „Natürlich wünsche ich mir eine dem Ort angemessene, würdige Folgenutzung, und dass die Kirche weiter ein prägender Teil des Ortes bleibt.“ 

(Text: C. Braun / Kirchenkreis Aachen)