Willkommen in Herzogenrath – Herzogenrath reicht Flüchtlingen die Hand

Informationsveranstaltung im Lukas-Gemeindezentrum zur Flüchtlingssituation - Flüchtlinge schildern ihre Erfahrungen - Vertreter der Stadt und der Gemeinde stellen sich den Fragen der Zuschauer

Das Interesse an dem Thema ist groß: Fast bis auf den letzten Platz gefüllt war das evangelische Lukas-Gemeindezentrum in Herzogenrath-Kohlscheid bei der Informationsveranstaltung "Willkommen in Herzogenrath - Herzogenrath reicht Flüchtlingen die Hand". Vertreter der Stadt, unter anderem Bürgermeister Christoph von den Driesch, die evangelische Flüchtlingsberatung und der ökumenische Arbeitskreis "Hand in Hand" sowie die Kirchengemeinde Herzogenrath hatten zu der Veranstaltung eingeladen, "um verunsicherten Nachbarn, Anwohnern, aber auch interessierten Bürgern die Gelegenheit zu geben, Verunsicherungen und Fragen loszuwerden, nüchterne Fakten und Hintergründe, aber auch positive Beispiele zur Integration von Flüchtlingen in unserer Stadt zu hören", erklärte Pfarrer Frank Ungerathen.

 "Willkommenskultur für Flüchtlinge etablieren"

"Wenn ein Fremder bei dir in eurem Lande wohnen wird, den sollt ihr nicht schinden. Er soll bei euch wohnen wie ein Einheimischer unter euch, und du sollst ihn lieben wie dich selbst; denn ihr seid auch Fremde gewesen in Ägypten." Mit diesem Zitat aus dem 3. Buch Mose, Kapitel 19, eröffnete Pfarrer Frank Ungerathen den Informationsabend. Er selbst hatte die Veranstaltung bei der ersten Beigeordneten der Stadt Herzogenrath, Birgit Froese-Kindermann, angeregt, da es nach der Veröffentlichung der Anmietung eines Hotels zur Unterbringung von Flüchtlingen durch die Stadt im Internet zum Teil heftige rechte Reaktionen gab. Aus christlicher Sicht seien wir dazu verpflichtet, Fremde in der Mitte unserer Gemeinschaft aufzunehmen, so Ungerathen. Dem stimmte auch Bürgermeister von den Driesch zu: "Wir brauchen Sie, die Bürger, um in unserer Stadt eine Willkommenskultur für Flüchtlinge zu etablieren."

265 Personen aus circa 30 Ländern

Nach den eröffnenden Worten von Pfarrer Ungerathen und des Bürgermeisters gab Bernd Sauren von der Stadtverwaltung einen Einblick in Statistiken zur Flüchtlingssituation in Herzogenrath. Derzeit leben 265 Flüchtlinge aus circa 30 verschiedenen Ländern in Herzogenrath, rund 200 davon leben in einer der zehn städtischen Unterkünfte. Anschließend zeigte Sauren auch Fotoaufnahmen aus den Unterkünften, zum Beispiel aus dem ehemaligen Hotel, welches bei einigen Bürgern für Unmut gesorgt hatte. Dass die Unterkünfte weit entfernt vom Luxus einer Hotelunterbringung entfernt sind, wurde den Anwesenden beim Anblick der Bilder schnell klar: Die Flüchtlinge leben meistens mit mehreren Personen in einem kleinen Zimmer. Neben einem Bett und einem Spind, in dem man persönliche Gegenstände einschließen kann, haben die Bewohner meist nur einen kleinen Tisch zur Verfügung, weitere Möbel gibt es nicht.

Einblicke in das Leben von Flüchtlingen in Deutschland

Nach den statistischen Informationen gaben drei Flüchtlinge einen sehr persönlichen Einblick in ihr Leben in Deutschland. Herr Akondo, der 1995 aus dem Kongo nach Deutschland geflohen war und mittlerweile die deutsche Staatsbürgerschaft besitzt, berichtete, wie wichtig es für ihn gewesen ist, möglichst schnell die deutsche Sprache zu erlernen. Unterstützung hatte er dabei vom ökumenischen Arbeitskreis "Hand in Hand" erhalten. Frau Alkabbani erzählte, wie ihr Leben im Irak nach dem Ausbruch des Krieges aus den Fugen geriet, so dass sie sich 2008 gezwungen sah, ihr gesamtes Leben hinter sich zu lassen und mit ihrem Sohn nach Deutschland zu fliehen. Und Herr Emad aus Syrien, der in Damaskus Englisch studiert hat und von einem Leben als Übersetzer träumte, schockierte die Anwesenden mit seinen Erzählungen über die unmenschlichen Lebensverhältnisse in seinem Heimatland. Eines hatten die Geschichten der Flüchtlinge gemeinsam: Eine große Dankbarkeit gegenüber den Menschen in Deutschland, die sie wundervoll aufgenommen haben und ihnen mit einer beeindruckenden Menschlichkeit entgegengekommen seien, allen voran die evangelische Flüchtlingsberaterin Judith Kuntz sowie die ehrenamtlichen Helfer des ökumenischen Arbeitskreises.

Flüchtlingsberaterin und Ehrenamtliche teilen Erfahrungen

Sowohl Kuntz als auch einige Ehrenamtlichen berichteten ebenfalls von ihren Erfahrungen im Umgang mit den Flüchtlingen, allen voran der großen Dankbarkeit, die ihnen immer wieder entgegen komme. Kuntz erinnerte die Zuhörer daran, dass hinter jedem der 265 Flüchtlinge in Herzogenrath ein Mensch stecke, der nicht nur Opfer sei, sondern auch ganz persönliche Werte und Fähigkeiten habe, die er sinnvoll in die Gemeinschaft einbringen könne. Sehr erfreut zeigte sie sich über das wachsende bürgerliche Engagement in Herzogenrath. Im Herbst letzen Jahres habe es acht ehrenamtliche Helfer gegeben, mittlerweile seien es bereits 25. Eine langjährige ehrenamtliche Helferin betonte, dass in allen Jahren nicht ein einziges Mal ein Flüchtling unfreundlich zu ihr gewesen sei. Dies könne sie über ihre Nachbarn in Herzogenrath nicht behaupten. Ein anderer, der erst seit Anfang dieses Jahres "dabei" sei, motivierte die Gäste dazu, sich ebenfalls zu engagieren, denn "wir haben es gut, und das betrachten wir als selbstverständlich. Anderen geht es aber nicht so gut, und diese Menschen brauchen unsere Hilfe." Die Redner berichteten auch über Angebote des Arbeitskreises, der sich regelmäßig im Lukas-Gemeindezentrum trifft. Diese Angebote reichen von Sprachkursen über Koch-Abende bis hin zu gemeinsamen Ausflügen. Die Wichtigkeit solcher Angebote hob auch Bürgermeister von den Driesch hervor, der betonte, dass "jedes Angebot ein elementarer Baustein für ein friedliches Miteinander" sei.

Podiumsdiskussion gibt Raum für Fragen

Am Ende der Veranstaltung gab es dann eine Podiumsdiskussion, bei der Vertreter der Stadt, der Gemeinde und des Arbeitskreises den Anwesenden Gelegenheit gaben, Fragen an sie zu richten und Unsicherheiten auszudrücken. An Stelle von Skepsis gegenüber den Flüchtlingen wurde dabei vor allem eines deutlich: Das Interesse und Mitgefühl der großen Mehrheit der Herzogenrather Bürger gegenüber den Flüchtlingen. So erkundigte sich ein Zuhörer beispielsweise, wie es denn für die Menschen nach ihrer Ankunft und Erstversorgung weitergehe und wie man ihnen langfristig Perspektiven bieten könne. Und so wurde an diesem Abend klar, dass der Titel der Veranstaltung der Wahrheit entspricht: Herzogenrath reicht Flüchtlingen die Hand.

(Text und Fotos: Stephan Klumpp)