Rhetorische Spitzen, Musik und Blick auf das Reformationsjahr

Auch evangelische Kirchen beteiligen sich bei der 16. Nacht der offenen Kirchen - Superintendent Bruckhoff predigt bei Ökumenischem Nachtgebet im Dom

Bereits eine halbe Stunde vor 20 Uhr ist es in der Annakirche pickepackevoll. Helfer gehen durch die Reihen, schauen, ob noch irgendwo in den Kirchenbänken ein Platz frei ist. Für den 28. Oktober hatten die christlichen Kirchen und freikirchlichen Gemeinden Aachens zur 16. Nacht der offenen Kirchen eingeladen. Auch einige evangelische Kirchen beteiligten sich wieder daran. Die Möglichkeit, Kirche einmal in einem etwas anderen Kontext zu erleben, ließen sich die Aachenerinnen und Aachener nicht entgehen. Und diesmal hatte sie sogar Glück mit dem Wetter.

Die „Kirchturmspitzen“ aus Richterich eröffneten in der Annakirche das Programm mit kirchlichem Kabarett. Das Sextett hat seine Wurzeln in einer Glaubenswoche der Weggemeinschaft der drei katholischen Pfarrgemeinden St. Heinrich Horbach, St. Laurentius Laurensberg und St. Martinus Richterich. „Jeder bekommt bei uns sein Fett weg“, verspricht die Gruppe zur Begrüßung und löst dies dann auch ein.  Meist trifft es dabei die Amtskirche und seltsame bürokratische Auswüchse, die die Frage aufwerfen, was das eigentlich alles noch mit den Ursprüngen unseres Glaubens zu tun hat.  Logisch, dass auch Gott da ein bisschen verschnupft reagiert und aus der Kirche austritt. Nach dem ersten Schock ist aber flugs eine Lösung gefunden: „Es gibt ja so viele Heilige, die man anrufen kann, da wird doch für jeden etwas Passendes dabei sein!“.  Auch der Ablass ist so ein Ding, das eigentlich kaum jemand versteht. Und wenn im Gespräch dann auch noch „Ablass“ und „Abfluss“ durcheinanderkommen, wird es ganz kompliziert.

Bei den Zuschauern kam dieser humorvoll-bissige Blick auf die Kirche sehr gut an. Armin Drack, Pfarrer der evangelischen Annakirche, freute sich über den Zuspruch: „Es ist ein schönes Zeichen, dass  es gelingt, Menschen in größerer Zahl für kirchliche Themen zu interessieren.“ Seit der Premiere im Jahr 2001 ist die Annakirche an der Kirchennacht beteiligt. Oft bestreiten Theater- oder Kabarettaufführungen dabei einen Teil des Programms. Ein bisschen entspricht das auch dem protestantischen Verständnis, findet Pfarrer Drack: „Natürlich steht bei den Protestanten das Wort im mehr im Mittelpunkt, ebenso wie die Tatsache, dass wir gemahnt sind, uns nicht so wichtig zu nehmen.“ Jedes Jahr habe dabei eine etwas andere Stimmung, beschreibt er: „Im Eröffnungsjahr, kurz nach den Terroranschlägen in den USA, war die Stimmung sehr angespannt. Da war es wichtig, dass die Menschen zur Ruhe kommen konnten. In diesem Jahr nehme ich die Stimmung als sehr konzentriert wahr.“

Musik und Komödie mit Tiefgang in der Immanuelkirche

Ungewöhnlich konzentriert lauschten sogar die Kinder am Abend der Handglocken-Gruppe "Bells of Glory", die zum ersten Mal in der Immanuelkirche auftraten. "Ich fand diese Musik sehr eindrucksvoll und berührend", sagte Gemeindepädagogin Gunhild Großmann nach dem Konzert. "Die Klänge waren so zart und schwingend - richtig klasse. Und sogar die Kleinsten im Publikum waren mucksmäuschenstill!" Die neun Musikerinnen der Gruppe importieren ihre Handglocken aus den USA, wo dieses Instrument verbreiteter ist als bei uns. "Wie hier auch sagen uns viele Leute, dass sie dies noch nie gesehen haben", erzählt Gruppenleiterin Monika Pfennigs. "Dabei spielen wir in der Region häufig in Gottesdiensten, bei Geburtstagen, Hochzeiten oder Konfirmationen."

Im Anschluss lud Kantor Klaus van den Kerkhoff die Gäste zum Offenen Singen aus dem Liederbuch "Lieder zwischen Himmel und Erde" ein, bevor dann der Film "Monsieur Claude und seine Töchter" gezeigt wurde. Pfarrer Redmer Studemund äußerte sich sehr zufrieden über den Verlauf des Abends und sagte: "Die Kirche war voll und wir hatten viele Besucher aus unserer Gemeinde, hier aus dem Stadtteil, auch von den katholischen Nachbarn, und auch viele Menschen, die vorher noch nie hier waren. Die Mischung aus Musik und einer Filmkomödie mit Tiefgang kommt gut an!"

Überwiegend junges Publikum in der Friedenskirche

Gute Musik lockte auch viele Besucher in die Friedenskirche an der Passstraße, wo der Abend mit dem Auftritt des Djemben-Ensembles "Schlagbaum" begann. "Wir waren voriges Jahr schon hier und kommen gern auch nächstes Jahr wieder", sagte Gruppenleiter Andreas Keuhlartz. "Hier ist wirklich eine schöne, ungezwungene Atmosphäre und wir bekommen viel positive Resonanz vom Publikum." Neu in diesem Jahr waren im Verlauf des Abends die Auftritte des A-Capella-Chors "Maranatha" und des Poetry-Slammers Florian Schreiber, bevor dann wiede die alten Bekannten der Band "Hopital" auf die Bühne traten. "Wir haben als Schülerband hier angefangen und sind jetzt das fünfte Mal in Folge dabei", erzählten die Musiker. Die Nacht der offenen Kirchen ist in der Friedenskirche immer "geprägt von der Jugend", wie Presbyter Paul Kempa sagte. "Wir rechnen immer mit 300 bis 500 Gästen", meinte er. "Es hat sich rumgesprochen, dass wir hier junge, moderne Musik machen und dass die Stimmung super ist."

Auch in der ökumenisch getragenen Citykirche St. Nikolaus war es für Besucher schwierig, einen Sitzplatz zu ergattern. Traditionell ist die Innenstadtkirche an der Großkölnstraße ebenfalls ein Ort für Konzerte in dieser Nacht. Neben den Chören  „Carmina Mundi“  und Accanto“ gestaltete Michael David mit seinem Programm „Harfe in Blau“ den Abend und verzauberte Besucher mit selbst komponierten Stücken.

Freimachende Botschaft des Evangeliums in ökumenischer Verbundenheit erfahren

Noch einmal still werden und den Abend im Gebet ausklingen zu lassen, dazu lädt die Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen (ACK) jedes Jahr ab 22 Uhr mit dem ökumenischen Gebet zur Nacht ein, das in diesem Jahr im Aachener Dom stattfand. In seiner Predigt machte der Superintendent des Evangelischen Kirchenkreises Aachen, Pfarrer Hans-Peter Bruckhoff, neben der zuvor verlesenen Passage aus Röm 1,16-17 das bevorstehende Reformationsjubiläum zum Thema. Für Martin Luther war die Passage über die rettende Kraft Gottes ganz zentral in seinem theologischen Verständnis. Denn es seien gerade die unscheinbaren, im Verborgenen bleibenden Dinge, aus denen Christen ihre Kraft im Glauben gewinnen. Doch Menschen neigten dazu, im Glauben das Vorzeigbare, das Zählbare zu suchen. Das jedoch mache weniger empfänglich für die verborgene Kraft Gottes. Er hoffe für das bevorstehende Jahr, dass „Christen in ökumenischer Verbundenheit die freimachende Botschaft des Evangeliums erfahren“ können.  Mit dem gemeinsamen Segen waren die Besucher in die Nacht entlassen.

(Text: K. Albrecht, C. Braun)