Quartiermeister Andreas Schmeitz zieht ernüchternde Bilanz des Berliner Kirchentages

Gemeinschaftsunterkunft für 717 Teilnehmende aus vier Kirchenkreisen gemanaged - Weiterführung des Amtes für den Kirchentag 2019 in Dortmund noch fraglich

"Dies war für mich der 14. Kirchentag und der siebte als Quartiermeister. Doch kaum ein Kirchentag gab mir zu denken wie dieser. Da die Teilnahme an dem Festwochenende in Wittenberg nach übereinstimmender Auffassung der Synodalbeauftragten für den Kirchenkreis Aachen nicht in Frage kam, stellte sich der Quartiermeister nach dem Stuttgarter Kirchentag die Frage, wie das Reformationsjubiläum auf andere Weise Einzug in die Kirchentagsplanung bekommen könnte. Schnell war die Idee geboren, mit anderen Kirchenkreisen ein gemeinsames Quartier zu stemmen.

Den Spuckschutz hat der Quartiermeister selbst gebaut

„Mein Respekt vor dem Ergebnis Ihrer Suche nach der neuen Herausforderung,“ war die Antwort des Abteilungsleiters vom Teilnehmenden-Service des Kirchentags auf meine Frage nach einer ausreichend großen Schule für ein Gemeinschaftsquartier mit etwa 750 Personen.

Bei meinen Überlegungen hatte ich allerdings nicht berücksichtigt, dass sich parallel auch die Geschäftsstelle des Kirchentages neue Herausforderungen überlegt hatte. So mussten wir diesmal allen Quartiergästen nach der Ankunft einen Quartierausweis mit einer individuellen Nummer von einer Gästeliste ausstellen. Ebenso sollten die Aufschnittplatten mit Frischhaltefolie als Spuckschutz abgedeckt sein und der Aufschnitt seitlich dann mit einer Gabel abgegriffen werden. Diese wenig überzeugende Lösung für die Hygieneauflage habe ich für unser Quartier abgelehnt und stattdessen einen entsprechenden Spuckschutz gebastelt.

Der Quartiermeister zwischen Lachen und Weinen

Als ich die erste Teilnehmerliste erhielt, von der die Ausweisnummern übernommen werden sollten, war ich mir noch nicht sicher, ob ich lachen oder weinen sollte. Die Listen waren nicht etwa alphabetisch für das gesamte Quartier, sondern nach Gruppen und hierbei wiederum nach Eingang der Anmeldungen „sortiert“. Dank einschlägiger Computerprogramme habe ich die Liste dann formatiert, alphabetisch sortiert und zweifach ausgedruckt. Bei 717 Teilnehmern macht dies immerhin 45 Blatt pro Liste aus.

Nun war alles vorbereitet und am Dienstag vor dem Kirchentag machte ich mich auf den Weg zu unserem Quartier, um die Schule vom Hausmeister zu übernehmen. Auf dem Weg zur Schule musste noch das Material für das Quartier bei der Geschäftstelle abgeholt werden. Nachdem alle Räume noch einmal besichtigt waren und wir zwei Schlüsselbunde erhalten hatten, bekam ich abends noch eine aktualisierte Teilnehmerliste der Geschäftsstelle. Ob die wohl überlegt haben, wann die Vorbereitungen für ein solches Quartier stattfinden? Die aktualisierte Liste konnte jedenfalls nicht noch einmal ausgedruckt werden.

Kirchentag fing mit Verspätung an

Nach langen Anreisen kamen am Mittwoch die Gäste erst am späten Nachmittag bzw. Abend im Quartier an - alle waren zu spät für den Eröffnungsgottesdienst und viele kamen zu spät zum Abend der Begegnung.
Für die Zusammenführung der Teilnehmerlisten und die anschließende Übertragung für die Geschäftstelle brauchten zwei Personen cirka fünf Stunden. Diese Beschäftigungsmaßnahme wird sicherlich noch für die Zukunft zu diskutieren sein.
Dies war der erste Tag, an dem ernsthafte Zweifel aufkamen, ob ich das Amt des Quartiermeisters erneut übernehmen möchte.

Allmorgendlich wurden uns 29 Laibe Brot, 1080 Brötchen, 14 Kilo Butter, 12 Kilo Wurst, 17 Kilo Käse und 7 Kilo Frischkäse geliefert. Durch die perfekte Ausstattung der Berufsschule für Gastgewerbe konnten wir alle Waren gekühlt lagern, ohne die Kühlkette zu unterbrechen. Die Lebensmittel wurden von der Nachtwache entgegengenommen. Sechs fleißige Aachener Helferinnen und Helfer stemmten mit wechselnden Helfern der anderen Kirchenkreise täglich das Frühstück.

Notfallstellen versuchen Anruf abzuwimmeln

Bereits am ersten Morgen konnten nicht alle Gäste am Kirchentag teilnehmen, so dass das Quartier nicht – wie vorgesehen – von 9:00h bis 18:00h geschlossen werden konnte. Durch die unplanmäßige Mehrbelastung unseres eingespielten und erfahrenen, aber kleinen Quartierteams verfestigten sich am zweiten Tag die Zweifel, ob ich das Amt als Quartiermeister erneut übernehmen möchte. 

Am zweiten Morgen zog sich eine Teilnehmerin einen Bänderriss zu und lag plötzlich auf dem Innenhof. Für mich war es eine neue Erfahrung, von der Leitstelle der Feuerwehr mit dem Argument abgewimmelt zu werden, dass dafür die Johanniter des Kirchentages zuständig seien. Ebenso neu war die Erfahrung, dass die Geschäftstelle hier nur darauf verwies, sie sei nicht zuständig und die Feuerwehr solle gerufen werden. Im zweiten Anlauf und nach 4 ½ Minuten Warteschleife konnte ich dann einen anderen Mitarbeiter der Feuerwehr-Leitstelle problemlos überzeugen, dass ein Rettungswagen zum Quartier geschickt werden musste.

Erwartungen und Wünsche waren zu unterschiedlich

Das Projekt der vier Kirchenkreise unter einem Dach zeigte, dass es doch ganz unterschiedliche Strukturen und offensichtlich auch Wünsche und Erwartungen gibt. In diesem Jahr blieben die Wünsche einiger Teilnehmer wohl unerfüllt. Weder bin ich auf den Wunsch eingegangen, die Quartierregeln mit mir zu diskutieren, noch konnte ich den Wunsch, alles machen und unbegrenzt laut sein zu dürfen, akzeptieren bzw. erfüllen.

Auch am dritten Tag fehlten außer eines kurzen – wiederum durch einen Einsatz unterbrochenen - Gesprächs mit zwei langjährigen Teilnehmern unseres Kirchenkreises die Momente, die mich zu einer Fortsetzung meiner Funktion würden überzeugen können. Durch dieses Gespräch wurde mir das erste Mal bei diesem Kirchentag wieder deutlich, dass ich Synodalbeauftragter unseres Kirchenkreises bin und es hier keine nennenswerten Schwierigkeiten gab. Selbst ein Quartier mit 700 Teilnehmern aus dem Kirchenkreis Aachen wäre sehr viel einfacher zu handhaben gewesen.

…und es ward Morgen und der letzte Tag brach an …

An diesem Tag begab es sich, dass MEIN Kirchenkreis, MEINE Kirchentagsgemeinde zu den mir von sechs Kirchentagen bekannten Hochtouren auflaufen sollten.

Nach großzügigen dreieinhalb Stunden Schlaf weckte mich die Nachtwache, um mir mitzuteilen, dass vier von sechs Kaffeemaschinen nicht liefen. Dies überstieg eindeutig die kritische Masse, die ignoriert werden konnte. Glücklicherweise hatten wir in diesem Jahr auch Zugang zu dem Sicherungskasten, so dass gemeinsam mit meinem Bruder das Problem und die Lösung gleichermaßen gefunden werden konnten.

Die Kaffeemaschinen liefen, das Frühstück war vom Eingang zur Küche gebracht, und in Heerscharen kamen von allen Himmelsrichtungen Helfer herbei, die das Frühstück vorbereiteten. Wir mussten sogar zu meinem tiefsten Bedauern Helfer zurückschicken, da wir gar nicht alle Helfer in der Küche beschäftigen konnten. Andere organisierten die Gepäckaufbewahrung, bauten unsere Materialien bereits ab, kontrollierten, dass die Zimmer ordnungsgemäß zurückgelassen wurden. Wieder andere telefonierten herum und fanden mit der Mission am Tiergarten einen erfreuten Abnehmer für die überzähligen Lebensmittel. Ein Taxi lieferte unsere Reste dort hin. Das Kommando Verpflegung änderte uns zuliebe die vorgegebene Route und holte bei uns als erstem Quartier die Kaffeemaschinen, Wasserkocher, Kabel und Brötchenkisten ab.

Dieser letzte Tag war der erste, an dem mir wieder einfiel, warum ich meine Kirchentagsgemeinde so gerne habe und für wen ich das Amt des Quartiermeisters bisher übernommen hatte:
Eh ich mich versah, war gegen 9:30 Uhr das Quartier geräumt. Das ganze Quartier? Nein, ein Zimmer mit meinen Sachen war noch zu räumen. Aber selbst hierbei wurde mir geholfen.

Erstmalig Schadensformular auszufüllen

Erstmalig musste ich in diesem Jahr leider ein Schadenformular ausfüllen, da die Schule nicht so übergeben werden konnte, wie wir sie am Dienstag übernommen hatten. Meine über sechs Kirchentage makellose Bilanz fand ein Ende.

Die Bilanz dieses Kirchentages ist aus Sicht des Quartiermeisters eher ernüchternd. Vier wenig bis gar nicht erfreuliche Tage gegenüber einem wahnsinnigen Abreisetag. Andererseits war ich in Bilanzrecht nie wirklich gut und es heißt ja schließlich: iudex non calculat (Lateinisch: Der Richter rechnet nicht).

Ob ich noch einmal als Quartiermeister zur Verfügung stehe, kann ich noch nicht sagen. Aber ich möchte allen Helferinnen und Helfern für den wahnsinnigen Einsatz in den Tagen
DANKE
sagen. Es wären zu viele, um diese namentlich hier aufzuführen. Ihr habt bewiesen, dass der Kirchenkreis Aachen auch ein Quartier mit 717 Teilnehmern stemmen kann. Und ich verspreche bereits jetzt: Wenn ich mich erneut entscheiden sollte, Quartiermeister zu werden, dann nur für eine „echte“ Aachener Schule.

So Gott will und wir leben, auf Wiedersehen in Dortmund!"

Euer Quartiermeister Andreas Schmeitz