Neuer Vikar: „Ich freue mich auf den Neuanfang“

Max Heller hat den Dienst in der Evangelischen Gemeinde Monschauer Land angetreten

Max Heller ist ein Exot, ein „bunter Vogel“, und das in mehrfacher Hinsicht. „Die Spezies ,Vikar' steht stark auf der Roten Liste“, macht der 37-Jährige keine Umschweife, dass er zu einer „aussterbenden Art“ gehöre. Am 1. Oktober hat Heller seinen Dienst in der Evangelischen Kirchengemeinde Monschauer Land angetreten – eben als Vikar. Dabei war er mehr als die Hälfte seines Lebens Mitglied der katholischen Kirche und ist dann erst konvertiert. Jetzt übernimmt er in der anderen Glaubensgemeinschaft sogar ein Leitungsamt. Gelebte Ökumene einer schillernden Persönlichkeit. Sein Mentor, der Lammersdorfer evangelische Pfarrer Volker Böhm, und der Vorsitzende des Presbyteriums der Eifeler Gemeinden, Jens-Peter Bentzin aus Monschau, stellten Heller beim Erntedankgottesdienst in der Roetgener Kirche den Gläubigen offiziell vor.
Doch es dauert noch ein wenig, ehe Max Heller in Lammersdorf, Monschau und Roetgen im schwarzen Talar mit dem typischen weißen Beffchen regelmäßig präsent ist. Denn zur zweieinhalbjährigen Ausbildung gehört zunächst die Tätigkeit als Religionslehrer. Diese halbjährige Phase seines Vikariats absolviert Heller an den beiden Standorten des Berufskollegs Stolberg-Simmerath. Diese Startphase als Pädagoge ist dann am 20. Februar 2022 zunächst vorbei. Danach wird Vikar Heller nur noch jeweils zwei Wochenstunden Religionsunterricht geben.
Pfarrer Bentzin, selbst bereits seit 22 Jahren in den Eifeler Gemeinden tätig, kann sich nicht erinnern, in dieser langen Zeit von der Evangelischen Landeskirche Rheinland jemals einen Vikar zugeteilt bekommen zu haben. Dem Kollegen Volker Böhm geht es da ähnlich. Sozusagen fast seit Menschengedenken der allererste Vikar.

Abwechslungsreicher Werdegang

Und was für einer! Vor seinem Studium der evangelischen Theologie an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität in Bonn, unterbrochen von drei Semestern an der Tübinger Eberhard-Karls-Universität, hat Max Heller eine Schauspielausbildung absolviert. Er verfügt über reichlich Bühnenerfahrung, die ihm sicherlich auch im kirchlichen Dienst zugutekommen dürfte.
Als junger Mensch war die katholische Pfarrkirche seiner Heimatgemeinde in Miltenberg am Main seine Bühne. In dieser nordbayerischen Kleinstadt zwischen Frankfurt und Würzburg wurde Heller getauft, ging er zur Erstkommunion und empfing die Firmung. „Ich habe die ganze Jugendarbeit mitgemacht, war auch Messdiener.“ Am Miltenberger Johanes-Butzbach-Gymnasium machte er Abitur, nach einem kurzen Zwischenspiel an einer Klosterschule.
Danach zog es Max Heller raus aus dem 9000-Seelen-Ort. Zur Bundeswehr wollte er nicht. „Da hatte mein Vater schlechte Erfahrungen gemacht“, erzählte er im Gespräch mit unserer Zeitung auf einer Roetgener Kirchenbank. „Ich wollte etwas Soziales machen.“ Er entschied sich für den Ersatzdienst, den er aber nicht im heimischen Umfeld absolvieren wollte. „Zum Essenausfahren hatte ich keine Lust“, zeigte er die wohl einzige Alternative in Miltenberg auf. Seine zehnmonatige „Zivi-Zeit“ in der „Fremde“, rund 150 Kilometer entfernt in Baden-Württemberg, sollte dann prägend, ganz entscheidend für seinen weiteren Lebensweg werden. Und dabei hat der Zufall ein gehöriges Stück Regie geführt. Als Heller sich vom Bundesamt für Zivildienst in Bonn eine Liste mit freien „Zivi-Stellen“ geben ließ, stand eine Einrichtung ganz oben, die ihn später regelrecht fesselte und letztlich als neues Mitglied in die evangelischen Kirche führen sollte. Es war das Tagungszentrum im Bernhäuser Forst bei Stuttgart, eine Einrichtung der Evangelischen Landeskirche Württemberg.

Beim Zivildienst wichtige Erfahrungen gesammelt

Es war die erste und einzige Zivi-Stelle, die Heller im Jahre 2004 anrief. Das Gespräch nahm die langjährige Hausleiterin Esther Bobinger entgegen, die ihn warmherzig angesprochen habe. Gerade erst den Führerschein gemacht, fuhr er gleich selbst nach Süden. Der erste gute Eindruck sollte sich nachhaltig bestätigen. „Wir waren auf der gleichen Wellenlänge. Es war eine richtig gute, wertvolle Zeit. Ich habe viel mitgenommen, auch Freundschaften, die bis heute gehalten haben“, betont der 37-Jährige.
„Es war ein langer Weg für mich“, schildert Heller seinen Austritt aus der katholischen Kirche, von der er sich zunehmend „entfremdet“ habe, wie er sagt. Den letzten Schritt tat er, indem er in einem Finanzamt nach dem späteren Umzug nach Köln seinen Konfessionswechsel beurkunden ließ. War das ein Schock für seine Familie? „Nein, eher eine positive Irritation“, blickt der neue Vikar auf diese für ihn nicht einfache Zeit zurück. „Es fügte sich so manches, auch Unerklärliches – ein Stück vom Glauben.“

Schauspielsausbildung ist jetzt eine große Hilfe

Bevor Max Heller ins Rheinland wechselte, studierte er zunächst in Stuttgart vier Semester Architektur. „Relativ schnell habe ich gemerkt, das das nicht das Richtige für mich ist.“ Bis zum Vordiplom hielt er am Neckar durch, dann war Schluss. Nun sollte es eine Schauspielausbildung sein. Sie wurde ihm an der Kölner Theaterakademie vermittelt. Vier Jahr dauerte sie, bis 2011, als er mit dem „Diplom der Bühnenreife“ dort mit 28 Jahren seinen ersten beruflichen Abschluss machte. Er blieb noch knapp zwei Jahre in der Domstadt, übernahm kleine Rollen an Bühnen der freien Szene, etwa dem Theater am Sachsenring in der Kölner Südstadt. Shakespeares „Hamlet“ gehörte dort zu Hellers Rollen. Und er machte bei Theaterfestivals wie dem „Room Service“ im Rhenania-Haus am Rheinau-Hafen mit.
In dieser Zeit habe er sich viel mit „meiner eigenen Persönlichkeit“ befasst. Das Ergebnis dieses Reflektierens: Jetzt wollte Heller Pfarrer werden. Er betont Parallelen zum Schauspiel: etwa „sich vor Menschen hinzustellen und zu sprechen“. Das eine „Berufungserlebnis“ gab es nicht, sagt Heller. „Ich hatte aber das Glück, dass gerade meine Mutter von Klein auf schon ein Gespür für Gottes Nähe und das Gehalten-Sein in ihm vermittelt und so den Grundstein dafür gelegt hat, von dieser Nähe und diesem Halt auch als Seelsorger weitergeben zu wollen.“ Dazu kamen über die Jahre viele zwischenmenschliche Begegnungen, die „gute Nachwirkungen hatten und zu denen ein Wort passt, das ich mir im Lauf des Studiums als Randnotiz in eine Vorlesungsmitschrift notiert hatte: ,Mit Gott ist immer wieder zu rechnen.' Ich meine, dass er über die Jahre diesen Satz immer wieder bewiesen hat“, betont Heller.

Freudiger Blick in die Zukunft

Letztlich wurden es 18 Semester Theologie, die er in Bonn studierte. Auch, weil er zunächst alte Sprachen lernen musste und zwischendurch arbeitete, um sich seinen Lebensunterhalt zu verdienen, insbesondere in einer Buchhandlung des evangelischen Jugendwerks in Tübingen. Ein zweimonatiges Praktikum in dieser Phase absolvierte er auf der Schwäbischen Alb, in der ländlichen evangelischen Julius-von-Jan-Gemeinde im Lenninger Tal bei Reutlingen.
Bereits seit drei Jahren lebt Max Heller in Oberforstbach – wieder ein Stück Ökumene: Das damals leerstehende Pfarrhaus der katholischen Pfarre St. Rochus, direkt neben der Kirche, ist das Domizil von ihm und seinem Mann geworden, mit dem Heller verheiratet ist. Dessen Lehrerjob an einer Schule in Eschweiler führte das Ehepaar in die Region. Anderthalb Jahre hatte Heller in dieser Studienzeit einen Job beim bekannten Aachener Modelleisenbahn-Händler Hünerbein am Markt.
Als es nach dem ersten Theologischen Examen in Bonn um die Vikarstelle ging, war für Heller klar, sich in der Region zu bewerben, da er nicht erneut umziehen wollte. Froh war er, dass er nach Rücksprache mit dem Superintendenten vom Landeskirchenamt in die Gemeinde „eingewiesen“ wurde. Will er nach seinem Vikariat – vergleichbar mit dem Referendariat bei Juristen und Lehrern – hier bleiben? „Wir sind froh um jeden, der uns unterstützt“, sagt Hellers Mentor Volker Böhm.“ Die Chancen auf eine Dauerstelle stehen somit gut für Max Heller: ein Mann mit offenem Wesen, der Menschen für sich einnehmen kann.
„Ich freue mich auf den Neuanfang“, sagt Max Heller im Roetgener Gottesdienst. „Ich habe zwei Hände, ein bisschen Hirn und Herz – mal schauen, was ich damit anfangen kann.“ Die Gemeinde hieß den neuen Vikar mit viel Applaus willkommen. Pfarrer Jens-Peter Bentzin überreichte ihm Bücher und Broschüren, mit der sich Heller in die Geschichte der Diasporagemeinde Monschauer Land einlesen kann. (Text: Berthold Strauch)