„Wir feiern kein Luther-Gedenkjahr“

Superintendent Bruckhoff und Jubiläumsbeauftragter Bentzin sprechen mit Zeitungsredakteur Pappert über das Reformationsjubiläum – Rund 200 Zuhörer bei Veranstaltung in der Viktoriaschule

Über Martin Luther, das Reformationsjubiläum in Aachen und die Geschichte des Protestantismus in der Region hat Peter Pappert, Redakteur des Aachener Zeitungsverlags, am Mittwochabend mit dem Superintendenten des Evangelischen Kirchenkreises Aachen, Pfarrer Hans-Peter Bruckhoff, und dem Beauftragten des Kirchenkreises für das Reformationsjubiläum, Pfarrer Jens-Peter Bentzin, gesprochen. Die Veranstaltung in der Aula der Viktoriaschule in Aachen zog rund 200 Zuhörer an. Die Gespräche wurden ergänzt durch Musikbeiträge von Schülerinnen und Schülern der Viktoriaschule sowie eine Vorstellung des Schulprojektes „Luther lohnt sich“, bei dem sich ein Religionsleistungskurs mit der Umsetzung reformatorischer Ideen im Kirchenbau beschäftigt hatte.

Auch problematische Äußerungen Luthers thematisiert

Schon zu Beginn des Gesprächs thematisierten Peter Pappert und Hans-Peter Bruckhoff dabei nicht nur die theologischen Verdienste Martin Luthers, sondern auch seine problematischen Äußerungen, zum Beispiel hinsichtlich der Juden und aufständischer Bauern. „Auch ich als Theologe verdanke Luther entscheidende Erkenntnisse“, sagte Superintendent Bruckhoff, in diesem Zusammenhang. „Allerdings war Luther in seiner zweiten Lebenshälfte so angegiftet und angegriffen und hat sich da in einer Weise vergaloppiert, dass wir uns heute von diesem Teil seiner Aussagen distanzieren. Er wird dort zu einer tragischen Figur und ist seiner eigenen Theologie nicht mehr so gefolgt wie er sie begonnen hatte.“

"Entscheidend ist die Erfahrung mit Gottes Wort"

Die evangelische Kirche im Kirchenkreis Aachen und in der Region, die auch die Kirchenkreise Jülich, Krefeld-Viersen und Gladbach-Neuss einschließt, feiere in diesem Jahr auch kein „Luther-Gedenkjahr“, betonte Bruckhoff weiter. Nicht nur, dass Luther sich, anders als in Wittenberg oder Erfurt, nie persönlich hier aufgehalten habe: „Entscheidend für die Reformation ist nicht die Person Luthers, sondern die Erfahrung mit Gottes Wort“, sagte der Superintendent. Die vier Kirchenkreise, die gemeinsam das 500. Reformationsjubiläum in diesem Jahr feiern, haben den Bibelvers „Gottes Wort kehrt nicht wieder leer zurück“ (Jesaja 55) als Motto gewählt, um dies auszudrücken.

Entwicklung in unserer Gegend verlief "autotochthon"

Wie die Geschichte der Reformation in unserer Gegend verlief, besprach Pappert im zweiten Teil der Veranstaltung mit Pfarrer Jens-Peter Bentzin. „In unserer Region gab es keine großen Reformatoren, die heute noch als Helden bekannt sind, sondern hier verlief die Entwicklung autochthon“, erläuterte Bentzin. „Das heißt: Es waren einfache Menschen wie der Handwerker aus Aachen und die Bäuerin aus dem Hohen Venn, die sich von den neuen Ideen angesprochen fühlten. Freie Prediger hielten Gottesdienste im Geheimen ab, zum Beispiel in den Wäldern des Rurtals.“ Pfarrer Bentzin stellte außerdem die Highlights des Veranstaltungskalenders zum Jubiläumsjahr vor, darunter den Ökumenischen Stadtkirchentag in Aachen am 24. Juni, die "Lange Jugendnacht" in Monschau am 1. Juli und das "Fest der Begegnung" in Jülich am 10. September.

Lebendige Ökumene in Aachen

Ein wichtiger Schwerpunkt beider Gespräche war darüber die Beziehung der Protestanten zu den Katholiken – damals und heute. Superintendent Bruckhoff äußerte sich sehr zufrieden über die außerordentlich gute und verbindliche Gesprächskultur zwischen den Konfessionen in Aachen und erinnerte auch noch einmal an einen Gottesdienst im Januar im Dom, den der katholische Bischof Dieser, der orthodoxe Bischof Evmenios und vier evangelische Superintendenten gemeinsam gefeiert hatten. „Hinter vorgehaltener Hand kann man sich sogar fragen, ob Papst Franziskus uns mit seinen umstürzenden Einsichten nicht schon überholt hat“, sagte Bruckhoff.

(Text und Bilder: C. Braun / Kirchenkreis Aachen)