„Solche Erprobungsräume brauchen wir“

Neue Gemeindeformen bringen auch im Evangelischen Kirchenkreis Aachen 'Kirche' näher zu den Menschen – Beispielhafte Jugend-, Kultur- und Offene Kirchen vorgestellt – „Boomende“ Genezareth-Kirche übertrifft alle Erwartungen

Nach den zukunftsweisenden Beschlüssen der Rheinischen Landessynode in der vergangenen Woche hat der Evangelische Kirchenkreis Aachen am Mittwoch Kirchen und Projekte vorgestellt, in denen jetzt schon Wirklichkeit ist, was auch die Landeskirche fördern will: Kirche – teils in neuen Formen – näher zu den Menschen zu bringen. Von der Landessynode und der ersten rheinischen Jugendsynode Anfang Januar berichteten zu Beginn der Jahres-Pressekonferenz des Kirchenkreises in der „Jungen Kirche Aachen“ Superintendent Hans-Peter Bruckhoff und Jugendreferent Axel Büker. „Bei uns im Kirchenkreis da regt sich was, da ist Leben, da ist Engagement, da sind Ideen und Power“, sagte Superintendent Bruckhoff. „Und solche Erprobungsräume brauchen wir. Auch aus unserem Kirchenkreis und unseren Gemeinden sind sicher Projekte dabei, die Anträge auf Mitfinanzierung durch die Landeskirche stellen werden.“

Vier beispielhafte Projekte stellten sich vor

Beispielhaft hatten sich bei der Pressekonferenz die „JuKi Aachen“, die „Kulturkirche Eifel“, die Aachener Genezareth-Kirche sowie die Lydia-Gemeinde Herzogenrath mit ihren Aktivitäten vorgestellt. Sie alle nutzen bestehende oder auch neue Gebäude noch intensiver und offener als es sonst oft mit der herkömmlichen Gemeindearbeit und dem sonntäglichen Gottesdienst der Fall ist. Dass dies bei den Menschen gut ankommt und Erfolg hat, bestätigten alle vier Projekt-Vertreter. „Unsere Genezareth-Kirche boomt“, sagte zum Beispiel Pfarrerin Bettina Donath-Kreß aus Aachen.

„Die Entwicklung im letzten halben Jahr hat alle unsere Erwartungen übertroffen. Ich hätte mir nicht träumen lassen, wie schnell und wie großartig diese neue Kirche angenommen wird!“ Die positive Resonanz der Menschen zeige sich sowohl im zahlreichen Gottesdienstbesuch, in der Kinder- und Jugendarbeit als auch bei den Besucherzahlen der „Offenen Kirche“.  Die Räumlichkeiten seien langsam schon „an der Kapazitätsgrenze“, sagte die Pfarrerin. Die Genezareth-Kirche an der Vaalser Straße im Aachener Westen war im Mai 2018 eröffnet worden und ist damit die jüngste Kirche im Gebiet der Evangelischen Kirche im Rheinland.

Sich ausprobieren und Gott begegnen

Pia Schneider, die Leiterin der „Jungen Kirche Aachen“ schwärmte von der Dreifaltigkeitskirche in der Aachener Innenstadt – erbaut 1899 – als „wunderschönes Gebäude mit unheimlich guter Seele“. Als Sitz der „JuKi“ bietet sie nun Jugendlichen und jungen Erwachsenen einen Raum, anderen Menschen und Gott zu begegnen. Dabei will sie gleichzeitig zur Auseinandersetzung mit dem eigenen Glauben anregen und Kirchenfernen 'Kirche' in neuem Licht zeigen. Zu den beliebten Veranstaltungen in der JuKi gehören Kleidertauschparty, Poetry-Slam und Spiele-Treffs ebenso wie Jugend-Andachten und Konzerte für Jugendbands. „Wir bieten eine Plattform dafür, sich auszuprobieren und begleiten Jugendliche dabei herauszufinden, wer sie selbst sind und auf wen sie sich, außer sich selbst, verlassen können“, sagte Pia Schneider. Dabei gebe die JuKi nicht Angebote und Ziele vor, sondern ermögliche es den Jugendlichen über eine Selbstverwaltung, ihre eigenen Vorstellungen umzusetzen. „Die machen das toll und hier passiert richtig was“, äußerte die JuKi-Leiterin sich begeistert.

Neue Gottesdienst-Zeit und Kinderbetreuung an drei weiteren Standorten

Aus der Evangelischen Lydia-Gemeinde Herzogenrath berichtete Pfarrer Joachim Wehrenbrecht insbesondere über den neuen Gottesdienst am Samstagabend und die Bau- und Umbauprojekte, die an allen drei Herzogenrather Standorten der Gemeinde neue Kinderbetreuungsangebote schaffen. Der Samstagabend-Gottesdienst um 18 Uhr werde von den Besuchern besser angenommen als der bisherige Sonntagmorgen-Gottesdienst, sagte Pfarrer Wehrenbrecht. Außerdem greife der „Gottesdienst anders“ einmal pro Monat neue und andere liturgische Formen auf, darunter zum Beispiel Meditations-Elemente. „Viele jüngere Menschen, auch Konfirmanden und ihre Eltern, finden dort einen Zugang, der niedrigschwelliger ist als in unseren sonstigen Gottesdiensten“, sagte Wehrenbrecht.
Für Eltern und Kinder in Herzogenrath bietet auch das neue Immobilien-Konzept der Gemeinde Vorteile: In Kohlscheid wird auf dem Gelände neben dem Lukas-Gemeindezentrum ein neues Kita-Gebäude gebaut, das von einer Elterninitiative genutzt werden wird. Im Gemeindehaus an der Markuskirche in Mitte wird nach einem Umbau eine dreigruppige Kita untergebracht. In Merkstein ist im Gemeindehaus schon jetzt eine neue Kinderbetreuungsmöglichkeit geschaffen worden, die das städtische Jugendamt trägt. „Gleichzeitig schaffen wir damit ein Angebot für junge Familien und eine neue Einnahmequelle für die Gemeinde“, erläuterte Pfarrer Wehrenbrecht.

"Kulturkirche Eifel" 2019 mit monatlichen Veranstaltungen

Menschen für die Kirche begeistern und dabei die Finanzen stärken will auch die Trinitatis-Kirchengemeinde Schleidener Tal. Sie hat dazu, gemeinsam mit der Kirchengemeinde Monschauer Land, die „Kulturkirche Eifel“ ins Leben gerufen. Nach dem Vorbild der bekannten „Kulturkirche“ in Köln-Nippes finden in den historischen Kirchen in Gemünd und Monschau jetzt zusätzlich zu Gottesdiensten und Andachten auch Konzerte, Lesungen, Kabarett und andere kulturelle Veranstaltungen statt. „Für 2019 haben wir jetzt ein Programm mit etwa einer Veranstaltung pro Monat gestaltet“, sagte Pfarrer Erik Schumacher. „Und wir merken: Die Termine sind nicht nur gut besucht, sondern es beginnt auch Kreise zu ziehen, immer mehr Leute fragen danach, helfen mit, und es bildet sich schon langsam eine ‚Gemeinde am anderen Ort‘.“

Das erste Konzert der Kulturkirche in Gemünd im neuen Jahr spielen Rolly und Benjamin Brings am Freitag, 15. Februar. Am Samstag, 9. März, folgen „Jazzprix“ mit Swing, Bebop und Latin. (Das ganze Programm 2019 finden Sie hier.) Tickets für die Kulturkirche Eifel gibt es inzwischen nicht nur in den Gemeindebüros, sondern auch über den Online-Verkauf von „Ticket Regional“. „Andersherum sind unsere Gemeindebüros jetzt auch offizielle Vorverkaufsstellen“, freut sich Pfarrer Schumacher. „Wenn Sie ein Ticket für die Lanxess-Arena möchten – kommen Sie zu uns ins Gemeindebüro!“

Eine Gemeinsamkeit ziehe sich durch all diese vorgestellten Initiativen, zog Superintendent Hans-Peter Bruckhoff ein Resümee: „Das Stichwort ‚Offene Kirche‘! Da wo Kirche sich öffnet, reagieren die Menschen positiv!“ Und auch Jugendreferent Axel Büker fasste es so zusammen: „Kirche findet nicht ausschließlich am Sonntag statt, sondern Kirche findet im Leben statt!“

(Text: C. Braun / Ev. Kirchenkreis Aachen)

 

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