Sankt Martin

Soldat – Kriegsdienstverweigerer – Bischof

„Sankt Martin ritt durch Schnee und Wind, sein Ross, das trug ihn fort geschwind …“ So singen es Kinder und Erwachsene, wenn im November die Zeit der Martinszüge gekommen ist.

Das Lied erzählt eine Schlüsselgeschichte aus dem Leben des späteren „Heiligen“ Martin: als Sohn eines römischen Militärtribunen im Jahr 317 n. Chr. geboren, und selber römischer Offizier, begegnet er in der römischen Provinz Gallien, am Tor zur Stadt  Amiens, einem frierenden Bettler und zerschneidet seinen Soldatenmantel, um dem Bettler ein wärmendes Kleidungsstück zu verschaffen.

Mit dieser Begegnung freilich ist die Geschichte nicht zu Ende: in der darauf folgenden Nacht hat Martin einen Traum, in dem ihm Jesus als Bettler erscheint, bekleidet mit eben dem halben Mantel, den Martin verschenkt hat, und mit den Worten: „Was ihr einem der Geringsten getan habt, das habt ihr mir getan.“ (Matth. 25, 40)

Martin als Kriegsdienstverweigerer

Martin ist zu dieser Zeit noch kein Christ. Aber er ist Katechumene und nimmt am Taufunterricht der Kirche teil. Taufen lässt er sich erst später. Und seine Taufe hat Konsequenzen.

Im Jahr 355 verweigert Martin vor dem späteren Kaiser Julian den Kriegsdienst mit den Worten: „Ich bin ein Soldat Christi, es ist mir nicht erlaubt zu kämpfen.“ Damit bekennt er sich zu einer Überzeugung, die in der christlichen Kirche der ersten Jahrhunderte weit verbreitet war, und lässt sich auch durch den Vorwurf der Feigheit vor dem Feind nicht von seiner Entscheidung abbringen.

Bischof von Tours und Ausgegrenzter

Anders als die Kirche damals: nachdem Kaiser Konstantin das Christentum im Jahr 313 zur römischen Reichsreligion erhoben hatte, passten sich die Kirchenführer schnell den neuen politischen Spielregeln an. Waren sie selbst noch wenige Jahre zuvor verfolgte Minderheit gewesen, so begannen nun innerhalb der Kirchen die Verfolgung derjenigen, die als „Ketzer“, als nicht rechtgläubig erschienen.

Dabei gerieten Christen wie Martin schnell in die Minderheit. Zwar wurde er im Jahr 371 zum Bischof der Stadt Tours erhoben, weil er von den Menschen in seiner Umgebung geschätzt und geliebt wurde. Aber von seinen Mitbischöfen wurde er ausgegrenzt, weil er wie ein Mönch in einer einfachen Hütte lebte und bis zu seinem Tod im Jahr 397 daran festhielt, dass Andersgläubige nicht mit Gewalt „überzeugt“ werden dürfen.

Ein Lichtermeer zu Martins Ehr

„Tragt in die Welt nun ein Licht, sagt allen, fürchtet euch nicht!“ So singen es Kinder und Erwachsene bei den Martinszügen. Furcht wird da überwunden, wo Konflikte mit weitem Herzen und ohne Gewalt ausgetragen werden. Wer diese Botschaft der Bibel zum Leuchten bringt, ist ein „Sankt“, ein „Heiliger“ – so wie Martin und viele andere, deren Namen wir nicht kennen.

Und zugleich öffnen die Laternenzüge die Tür hinein in die christliche Adventszeit, die in alten Zeiten schon sieben Wochen vor Weihnachten begann – eben am Gedenktag des Heiligen Martin: „Friede auf Erden bei den Menschen, an denen Gott sein Wohlgefallen hat.“

Text: Ulrich Holste-Helmer