„Unterschiedliche Perspektiven bereichern die Gemeinde“

Themen des Protestantismus: Folge 2 „Prädikanten“ - Interview mit Prädikant Erhard Lay

Zum Reformationsjubiläumsjahr 2017 stellen wir Themen vor, die das evangelische Leben in unserer Region prägen. Für die zweite Folge unserer Interviewserie mit dem Thema „Prädikanten“ haben wir mit Erhard Lay gesprochen, der seit 1993 Prädikant in der Evangelischen Kirchengemeinde Merkstein ist und damit zu den dienstältesten aktiven Prädikanten im Kirchenkreis Aachen gehört.

Prädikantinnen und Prädikanten sind in der Evangelischen Kirche im Rheinland Gemeindeglieder, die ehrenamtlich den Dienst an Wort und Sakrament und in der Seelsorge ausüben. Im Kirchenkreis Aachen sind dies aktuell etwa 25 Personen. Das Interesse ist in den vergangenen Jahren so stark gewachsen, dass es derzeit eine Wartezeit bis 2018 gibt, um mit der zweijährigen Zurüstung beginnen können, welche die Ehrenamtlichen auf ihre Aufgabe vorbereitet.

Herr Lay, was ist die theologische Begründung dafür, dass es in der evangelischen Kirche Prädikanten gibt? Was sagt die Bibel – was sagt Luther?

Lay: Diese Frage kann ich im ersten Teil mit Hilfe meiner Ordinationsurkunde und meiner Vokationsurkunde, die ich als Religionslehrer erhalten habe, beantworten: „Jesus Christus spricht: Gleichwie mich der Vater gesandt hat, so sende ich Euch! Und gekürzt: „Gehet hin und lehret alle Völker und taufet sie…“. Martin Luther hat das Priestertum aller Gläubigen vertreten, verliehen durch die Taufe. Er befürwortete auch, dass die Gläubigen geeignete Personen zum Predigtdienst berufen sollten. Im weiteren Verlauf der Reformation sah man dann die Notwendigkeit einer Ordnung, was dann zur Ordination führte.

Wieso sind Sie Prädikant geworden?

Lay: Das hat etwas mit meiner Lebensgeschichte zu tun. Schon von uns jugendlichen Mitarbeitern im CVJM wurden selbst formulierte Andachten verlangt. Ich habe das damals gerne gemacht. Im Studium war ich Mitarbeiter in der Studentenmission in Deutschland (SMD) und später Gruppenbegleiter. Da waren Gottesdienste und Bibelarbeiten selbstverständlich. Ab 1985 kamen von unserem Gemeindepfarrer und von Pfarrern einiger Nachbargemeinden Anfragen wegen Gottesdienstvertretungen. Ich habe immer gerne zugesagt. Dieser Einsatz musste dann ja auch mal „offiziell“ werden. Und so schlug mich unser Presbyterium zur Zurüstung für das Amt des Predigthelfers vor, wie das damals noch hieß.

Welche Aufgaben übernehmen Sie und wie oft?

Lay: Zurzeit sind das hauptsächlich Gottesdienste verschiedener Art, manchmal Taufen, seltener Trauungen und Goldhochzeiten. Auch Seelsorgegespräche sind vorgekommen und häusliche Aussegnungsfeiern. In den letzten Jahren waren es ca. 30 Gottesdienste jährlich; in diesem Jahr werde ich wohl auf 25 kommen, allerdings in mehreren Gemeinden des Nordkreises.

Als Sie Prädikant wurden, hieß dieses Amt noch „Predigthelfer“. Wie hat sich die Aufgabe mit den Jahren gewandelt? Welche Veränderungen haben Sie bemerkt?

Lay: Was besonders auffällt, ist die rückläufige Zahl der Gottesdienstteilnehmer, auch die demografisch bedingt fehlenden landsmannschaftlichen Gruppen, z. B. aus Siebenbürgen, aus Sachsen, usw. Sonst kann ich persönlich nur sagen: Die Menschen sind nach meinem Empfinden gerne im Gottesdienst und die Atmosphäre macht einen offeneren Eindruck, als das vor Jahrzehnten der Fall war.

Wie sehen Sie den Unterschied zwischen Prädikanten und Pfarrern? Was gewinnt die Gemeinde durch die Tätigkeit von Prädikanten?

Lay: Ja, da gibt es einen wesentlichen Unterschied. Pfarrer sind Volltheologen, wie Sie sagten, und durch ihre Ausbildung und ihre Tätigkeit auch entsprechend geprägt. Mir fällt in diesem Punkt schon auf, wie sich z. B. Lehrer, auch mit Fach Religion, hier unterscheiden. Prädikanten sollten unbedingt ihre eigene Berufs-, Lebens- und Glaubenserfahrung in die Gottesdienste und vor allem in die Predigten einbringen. Die unterschiedlichen Perspektiven können sehr bereichernd für jedes einzelne Gemeindemitglied sein. Gerade theologisch nicht vorgebildete Prädikanten können andere Akzente in der Predigt setzen, wobei die theologisch-wissenschaftlich fundierte Predigt ebenfalls unverzichtbar ist.

Warum ist es Ihnen persönlich wichtig, Prädikant zu sein? Was gefällt Ihnen daran besonders?

Lay: Es macht mir Freunde, einen Gottesdienst vorzubereiten und mich ausgiebig mit dem Predigttext zu beschäftigen. Und dann natürlich, das Evangelium zu verkündigen und die Zuhörer hoffentlich in ihrem Glauben zu stärken und ihnen damit im täglichen Handeln zu helfen. Mir persönlich hilft mein Theologiestudium für das Lehramt. Wie oben bereits erwähnt, ist mir sehr wichtig, als Prädikant meine Berufs-, Lebens- und Glaubenserfahrung einzubringen. Konkret bezieht sich das auf meinen ursprünglichen kaufmännischen Beruf, das betriebswirtschaftliche Studium und meine frühere Berufstätigkeit in einem Berufskolleg. Ich möchte auch in meinen Predigten ein Stück weit Lehrer sein, also Wissen nahe am Text vermitteln. Wesentlich ist und bleibt der Ruf zum Glauben und Stärkung im Glauben.

Gibt es etwas, das Sie nicht mögen oder verbessern würden?

Lay: Ich sehe, dass Pfarrer oft lange telefonieren müssen, um eine Gottesdienstvertretung zu finden. Ich weiß von anderen Landeskirchen, dass in den Kirchenkreisen manchmal so etwas wie eine zentrale Vermittlung existiert. Das wäre sicherlich hilfreich, auch für Prädikanten, falls diese etwas breiter tätig sein wollen. So gibt es woanders auch ein festes Büchergeld für die Gottesdienstvorbereitung. Für manche Prädikanten ist die Anschaffung des nicht gerade preiswerten Talars ein Problem. Bei uns ist das alles von der einzelnen Gemeinde abhängig. Bei den beiden letzten Punkten spreche ich eher für Andere. Bei mir stellt sich das Problem nicht. Grundsätzlich bin ich der Meinung, dass unsere Tätigkeit ehrenamtlich bleiben sollte; schon aus Solidarität mit den vielen Ehrenamtlichen in unseren Gemeinden.

Gibt es ein besonderes Erlebnis in der Ausübung ihres Amtes, das Sie bewegt oder beeindruckt hat?

Lay: Im Laufe der 30 Jahre, gerechnet von meinem ersten Gottesdienst damals in Bardenberg, gibt es unzählige solcher Erlebnisse, sehr positive, aufbauende, aber auch schwierige. Die, welche mir nicht aus dem Gedächtnis gehen, eignen sich leider nicht für die Öffentlichkeit, weil es dabei um konkrete Menschen in unserer Umgebung geht.

Wie lange möchten Sie das Amt noch ausüben?

Lay: Solange wie ich anfragt werde und ich den Eindruck habe, dass ich das kann und soll.

 

Erhard Lay, 67 Jahre alt, ist Mitglied der Kreissynode des Ev. Kirchenkreises Aachen, Presbyter in der Kirchengemeinde Merkstein und dort auch Mitglied in mehreren Ausschüssen.