Rheinischer Frohsinn in "ausverkaufter" Friedenskirche: Überbordende Lebensfreude mit kurzen besinnlichen Momenten

Außergewöhnlicher Karnevals-Gottesdienst bringt Jecken in der Kirche zum Schunkeln - Herrlich schräges Theaterstück und Karnevals-Hits auf der Orgel begeistern Gemeinde, Pfarrer und Vereine

So lebt moderne Kirche. So begeistert sie. So steckt sie an und wird auch wieder attraktiv. Die Evangelische Kirchengemeinde Baesweiler-Setterich-Siersdorf tat gut daran, den Karnevalsgottesdienst wieder aufleben zu lassen. Die jecken Christen belohnten das Engagement mit einer voll besetzten Kirche. Bereits eine halbe Stunde vor Beginn des bunten Gottesdienstes war die Friedenskirche „ausverkauft“. Hausherr und Pastor Jochen Gürtler zeigte sich angetan vom großen Zuspruch. Die Menschen wollen Karneval und Kirche nebeneinander und miteinander. Auch das wurde mehr als deutlich. Zumal man auch wußte, hier an diesem Ort hatte es immer aussergewöhnliche Karnevalsgottesdienste in früheren Jahren gegeben. Dieses Gefühl, diese Lebensfreude holte man in vollen Zügen zurück.

Karnevalisten und Gemeinde im Gottesdienst der besonderen Art

Natürlich ist das ungewöhnlich, wenn statt der sakralen Klänge plötzlich Töne des rheinischen Frohsinns aus der von Markus Lind bedienten Orgel klingen. „Wer soll das bezahlen“? hatte der Organist angestimmt und mit seiner Frau Nadine (Klarinette) und Musiker Gerd Packbiers (Trompete) vorgetragen. Da wars ein leichtes, schon vor Gottesdienstbeginn zu schunkeln. Unter die mehr als 200 Besucher hatte sich auch die Ehrengarde Baesweiler sowie die Rot-Weißen Funken mit ihrem Tollitätenpaar Alexander und Angela sowie die die Renngemeinschaft de Schörjer und weitere organisierte Karnevalisten gemischt und einen Gottesdienst der besonderen Art gemeinsam gestaltet.

Freche Engel mit Charme und Witz

Herrlich schräg kamen dabei im Spiel „Wenn Wünsche wahr werden . . .“, die beiden frechen „Engel“ Simone Wehr und Claudia Däsler bei den Christen an. Wehr, Leiterin der Kindertagesstätte „Engelhaus“ in Setterich und ihre Stellvertreterin brachten in betont überzogenen Rollen Charme und Witz sowie prägende Mimik in das Stück hinein, dass ein „Anspiel“ darstellte, bei dem zwei Engel mit Hilfe einer Wunscherfüllungsmaschine (bedient von Aaron Zick und Florian Schröers) verschiedenen Menschen ihre Wünsche erfüllen. So wurde Drago Juran, Küster der Kirchengemeinde, mit seinem Wunsch-Werkzeug, einem bombastisch wirkenden Aufsitz-Rasenmäher beglückt. Damit nicht genug: In filmischer Anspielung erhielt er auch noch einen Traktor. Eine Blondine (sehr akzentuiert von Heidi Zick gespielt) bekommt die Schönheitsbehandlung, die sie sich wünscht, und der Freundeskreis eine gute (Karnevals-) Zeit geschenkt.

Erfüllte Wünsche machen nicht glücklich

Sechs Monate später wollen die Engel sehen, was aus den Menschen geworden ist. Sind sie glücklich geworden mit ihren erfüllten Wünschen? Eben nicht. Angelehnt an das Buch Kohelet/Prediger Salomons aus dem Alten Testament der Bibel stellte der Gottesdienst die Frage, was wirklich glücklich macht. Ist es Materielles oder Schönheit oder sind es Beziehungen? Die beiden Engel vermittelten vielmehr, dass Freundschaft und Zeit füreinander die elementaren Dinge des Lebens sind. Dinge, die glücklich machen. Ebenso wie die Musik, die mitreißt. Bestes Beispiel war da sicherlich Pfarrer Jochen Gürtler. Als inmitten des Gottesdienstes der Höhner-Kult-Song „Viva Colonia“ erklang, sang der aus Leverkusen stammende Geistliche (Gürtler: „das liegt ja ganz nahe an Köln“) fast schon inbrünstig und textsicher mit. Sehr ansteckend: Denn das taten dann auch die vielen Besucher. Markus Lind brauchte nur anzuspielen, sofort war die „Kulisse“ da.

Jecke Gemeinde staunte über eigenen Prinzen

An einem Tag überbordender Lebensfreude mit kurzen besinnlichen Momenten, die sich bis in den Abend hineinzogen. Ein weiterer Grund dafür war die sich anschließende Karnevalsfeier des Evangelischen Männerwerkes. Leiter Drago Juran und seine Mitstreiter hatten ein locker-leichtes Programm erarbeitet, dass darin gipfelte, einen eigenen Prinzen vorzustellen. Erstmalig hatte das Männerwerk mit Ralle Heese einen Prinzen aus den eigenen Reihen zu später Stunde aufgeboten. Da staunte die jecke Gemeinde nicht schlecht. Zumal es in diesem Jahr nicht gelungen war, in Baesweiler einen Stadtprinzen zu ermitteln. Viel Aufsehen entfachte auch der Programmpunkt, den die Renngemeinschaft „de Schörjer“ beisteuerte. Aus leeren Kunststoff-Tonnen Rockmelodien („We will Rock You“) oder Traditionals in Rap-Version („Alle meine Entchen“)  herauszuhauen muß auch erstmal gekonnt sein.

(Text: Sigi Malinowski)