Sommerzeit – Halbzeit!
Endlich Sommer! Die Natur steht in voller Blüte. Straßenfeste, Konzerte und andere Veranstaltungen locken die Menschen aus ihren Häusern. Sommerferien und Urlaubszeit kommen in Sicht
Endlich Sommer! Das bedeutet aber auch: Halbzeit. Am 24. Juni endet nicht nur die Spargelsaison, es erreicht auch die Sonne ihren höchsten Stand – und das bedeutet: ab jetzt werden die Tage schon wieder kürzer. Kaum haben wir uns an die grünende Natur und an die Wärme gewöhnt, wirft der Herbst schon seine Schatten voraus.
Halbzeit – das heißt bei sportlichen Wettkämpfen: Zwischenbilanz ziehen. Stimmt die Spielstrategie? Reichen die Kräfte? Ist genug Motivation vorhanden? Oder muss die Taktik geändert werden? Vielleicht sogar die Mannschaftsaufstellung?
Halbzeit – vielleicht sollten auch wir uns auf der Höhe des Jahres eine Atempause gönnen. Zurückblicken auf die erste Hälfte dieses Jahres: welche Weichen sind gestellt? bin ich zufrieden mit dem, was mein Leben ausmacht? oder sind Veränderungen nötig, andere Spielstrategien für die zweite Hälfte des Jahres?
Halbzeit - um dieses Stichwort kreist auch ein Brauchtum, das älter ist als der christliche Glaube in Mitteleuropa, das aber von den Christen mit einer biblischen Deutung verbunden worden ist: der Mittsommertag, der Tag der Sommersonnenwende am 24. Juni, von den Christen als Johannistag bezeichnet. Nach vorchristlicher Überlieferung geschieht am Tag der Sommersonnenwende Besonderes: Berge öffnen sich, Tiere sprechen, und im Traum wird Zukünftiges sichtbar. Wer über das Sonnenwendfeuer springt, überwindet Unheil und findet Liebe. Johanniskraut, an diesem Tag gepflückt, wirkt als Heilmittel gegen vielerlei Beschwerden.
Immer wieder staunend vom Leben überraschen lassen
Die christliche Tradition hat eine Gestalt der Bibel mit diesem Tag verbunden: Johannes den Täufer, der ein halbes Jahr vor Jesus - also ein halbes Jahr vor Weihnachten! - geboren wird (Lukasevangelium, Kapitel 1,36). Johannes ruft die Menschen zu Besinnung und Umkehr, und kündigt das Kommen Jesu an: „ER muss wachsen, ich aber muss weniger werden.“ (Johannesevangelium, Kapitel 3,30).
Vielleicht ist dieses Wort des Johannes auch für uns eine heilsame Perspektive. Es könnte helfen, in der zweiten Halbzeit des Jahres manche Selbstüberforderung und manchen Krampf zu lassen, und unsere Kräfte auf das zu konzentrieren, was das Leben wirklich reich macht, was unsere Berufung, unser „Heil der Seele“ ist.
„ER muss wachsen, ich aber muss weniger werden“. Vielleicht finde ich das Glück meines Lebens ja erst, wenn ich meine begrenzten Wünsche und Ideale – und auch meine persönlichen Enttäuschungen und Bitterkeiten – hinter mir lassen kann. Und wenn ich die Freiheit gewinne, mich immer wieder staunend vom Leben überraschen zu lassen. Das könnte dann wirklich eine spannende zweite Halbzeit werden.
(Text: Ulrich Holste-Helmer)