Vom Vatertag und den Pfingstochsen
Ausflüge und Prozessionen locken ins Freie
Himmelfahrt und Pfingsten - das bedeutet für die meisten Menschen in Mitteleuropa heute Ausflüge „ins Blaue“ und Kurzurlaub „ins Grüne“, Tanz in den Mai und Männertour am „Vatertag“. Interessanterweise haben diese Formen der Freizeitgestaltung alte Wurzeln, christliche und auch außerchristliche: immer schon gab es in Mitteleuropa in der Zeit nach dem Frühlingsbeginn, zwischen Ostern und dem römisch-katholischen Fest Fronleichnam, vor allem in ländlichen Gegenden Prozessionen, Ausritte, Begehungen der Felder. Im Bereich der Alpen fiel und fällt in diese Jahreszeit auch der Viehauftrieb auf die Sommerweiden in den Bergregionen - mit dem geschmückten „Pfingstochsen“ an der Spitze.
Viele Bräuche haben erotischen Charakter
Aufbruch in den Sommer, Aufbruch auch in die Fruchtbarkeit von Natur und Mensch - das ist das gemeinsame Thema dieser Ausflüge und Prozessionen. Und es ist kein Zufall, dass viele Bräuche im „Wonnemonat“ Mai deutlich erotischen Charakter haben - vom Hexenritt in der Walpurgisnacht über die Auslosung von „Pfingstbräutigamen“ und „Pfingstbräuten“ bis hin zur Verehrung der „Gottesmutter“ Maria in den römisch-katholischen Maiandachten.
Was aber haben diese Bräuche mit den kirchlichen Festen Christi Himmelfahrt und Pfingsten zu tun?
Der Himmel auf Erden
Die deutsche Bezeichnung Pfingsten geht auf eine schlichte Zahlenbezeichnung zurück: „Fünfzig“ (althochdeutsch fimfchustin, griechisch pentekoste). Denn wie das christliche Osterfest nimmt auch das Pfingstfest eine jüdische Tradition auf: Sieben Wochen - also 50 Tage - nach dem Pessach-Fest wird beim jüdischen Schavuot-Fest daran erinnert, wie Moses am 50.Tag nach dem Auszug der Israeliten aus Ägypten auf dem Berg Sinai von Gott die Tafeln mit den Zehn Geboten erhält. Die ersten Christen - so wird es in der Apostelgeschichte berichtet - erlebten dieses Fest 50 Tage nach der Auferstehung Jesu neu: wie Moses damals am Berg Sinai, so verabschiedete sich auch der auferstandene Jesus mit seiner Himmelfahrt von seinen Jüngern und verschwindet in den Wolken. Und wie Moses auf dem Berg Sinai erfuhren auch die ersten Christen in Jerusalem die Kraft Gottes wie Sturm und Feuerflammen vom Himmel herab. Und sie erlebten, wie diese Kraft Gottes, der „Heilige Geist“ die Sprach- und Kulturgrenzen zwischen Menschen aufhebt.
Pfingsten ist "Geburtstag" der Kirche und Christenheit
Christi Himmelfahrt und Pfingsten bedeuten also: Himmel und Erde kommen zusammen. Christus und die Kirche werden in der Bibel wiederholt als Bräutigam und Braut bezeichnet - um Kinder, ein neues Volk, Töchter und Söhne Gottes hervorzubringen! Pfingsten ist in diesem Sinne wirklich „Geburtstag“ der Kirche und der Christenheit. Gottes Kraft will in dieser Welt und im Leben jedes Menschen fruchtbar werden. Und es ist nur natürlich, dass diese Kraft „nach draußen“ strebt, und „fruchtbar“ werden will, über alle Grenzen hinweg, „bis an die Enden der Erde“.
(Text: Ulrich Holste-Helmer)