Von Träumen und Katastrophen

Die elfte Nacht der offenen Kirchen zieht mit Konzerten, Vorträgen, Kunst-Aktionen und Gottesdiensten tausende Besucher an - Evangelische Kirchengemeinde Aachen beteiligt sich mit drei Kirchen - Superintendent Bruckhoff predigt in ökumenischem Gottesdienst

Mit einem Segelschiff fahren, Feuerwehrmann werden, Frieden für die Welt – ihre Träume sind so unterschiedlich wie die Menschen selbst. Und gleichzeitig sind diese Lebenswünsche auch etwas verbindendes, denn jeder Mensch hat Träume, egal ob jung oder alt, mit oder ohne Behinderung. Das ist die Botschaft bei der elften „Nacht der offenen Kirchen“ in der Auferstehungskirche Am Kupferofen. Das dreistündige Programm mit viel Musik, Gesang und Tanz rund um das Thema „Mein Traum“ wurde wie im Vorjahr gemeinsam von der Gemeinde und der Lebenshilfe Aachen gestaltet. Die Nacht der offenen Kirchen sei eine gute Gelegenheit, die gute Zusammenarbeit mit den benachbarten Institutionen noch zu verstärken und alle besser zu vernetzen, sagte Pfarrer Martin Obrikat. „Ein wichtiger Aspekt dieses Abends ist es, gemeinsam etwas zu erleben und Begegnungen zwischen den unterschiedlichen Gruppen zu schaffen.“

Kinder mit und ohne Behinderung musizieren gemeinsam 

Die Musik sollte dabei eine Brücke schlagen zwischen allen Besuchern. Die erste Stunde des Programms wurde von und für Kinder gestaltet. Kinder des evangelischen Kindergartens Am Kupferofen und des integrativen Kindergartens am Pappelweiher sangen und spielten zu einer vertonten Version von „Der Raupe Nimmersatt“. Auch die Geigen- und Flötengruppen der städtischen Musikschule wirkten an der musikalischen Gestaltung mit und Gitarrist Volker Lorenz spielte Lieder zum mitsingen und tanzen.

"Bock Rock" erfüllt Träume

Ein Höhepunkt im Programm war mit Sicherheit der Auftritt der Band „Bock Rock“ von der Lebenshilfe. Seit sechs Jahren leben Menschen mit und ohne Behinderung hier gemeinsam ihre Begeisterung für Musik aus. „Die Band ist für die Teilnehmer wahnsinnig wichtig“, weiß Hilde Bärnreuther von der Lebenshilfe. Wer sieht, mit welcher ansteckender Freude die Bandmitglieder Klassiker wie „Hölle, Hölle, Hölle“ oder „99 Luftballons“ spielen und singen, merkt: genau in diesem Moment werden Träume erfüllt. Um dieses Thema geht es auch im zweiten, nachdenklicheren Teil des von der Lebenshilfe gestalteten Programmteils. In einer Lesung stellt Andreas Esser die Träume fünf behinderter Menschen – Opernsängerin werden, mit dem Freund zusammen wohnen, ein eigenes Bistro eröffnen. „So unterschiedlich unsere Wünsche auch sein mögen, sind sie sich doch in vielem ähnlich“, betont Pfarrer Obrikat.

"Normal sind wir alle nicht"

Die Lesung aus der von der Lebenshilfe initiierten Broschüre „Normal sind wir doch alle nicht“ scheint auch viele Zuhörer inspiriert zu haben, denn während die zwei Chöre der Gemeinde, der Kantorei-Chor und der Eltern-Chor, die letzte Stunde des Programms musikalisch gestalten, legt noch so mancher das selbst bemalte oder beschriebene Puzzleteil mit dem persönliche Traum zu dem großen Bodenmosaik neben dem Altar. Und spätestens dieses Bild verdeutlicht – auch wenn jeder Traum anders ist, greifen sie doch alle irgendwie ineinander und verbinden Menschen miteinander.

"Den Besuchern etwas mit auf den Weg geben"

Neben der Auferstehungskirche beteiligten sich an der elften "Nacht der offenen Kirchen" in Aachen auch die Immanuelkirche, in der zuerst das Kinderorchester der städtischen Musikschule spielte und dann der Film "Willkommen bei den Sch'tis" gezeigt wurde, sowie die Annakirche. Dort stand die Nacht unter dem Titel "Vom Turmbau und anderen Katastrophen... Fukushima und seine Folgen". Sehr selbstkritisch und ethisch verantwortlich, aber doch auch technik-optimistisch diskutierten dort Wissenschaftler von RWTH und FH Aachen über Risiken und Nebenwirkungen der Technik und die Möglichkeiten von Fortschritt und Wachstum. "Mit unserem Programm versuchen wir nicht, die Kirche zu 'entweltlichen', sondern der Welt etwas auf den Weg zu geben", sagte Pfarrer Armin Drack. So mahnten die Wissenschaftler auch die Zuhörer, sich selbst als Individuen in die Diskussion um Technik und Atomkraft einzumischen, selbst Verantwortung zu übernehmen und die Stimme zu erheben, auch wenn es nur im Kleinen sei. Musikalisch begleiteten Claudia Buchholtz-Thelen und Klaus von den Kerkhoff die Gesprächsrunden auf Flöte und Orgel. Zwischen den Diskussionsrunden strömten so viele Besucher zum Konzert des Chors "KataStrophe", dass selbst im Vorraum der Annakirche kein Stehplatz mehr zu bekommen war.

Ökumenisches Nachtgebet zeigt Gemeinsamkeiten der Konfessionen auf

Mit einem ökumenischen Gottesdienst in der Kirche St. Michael/Hagios Dimitrios begann schließlich um 22 Uhr das "Herzstück" der Nacht der offenen Kirchen, wie Karl-Peter Küpper, Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft der christlichen Kirchen, sagte. Zu dem ökumenischen Nachtgebet fanden sich der katholische Weihbischof Johannes Bündgens, Bischof Evmenios von Lefka und Archimandrit Nikodemus Totkas von der griechisch-orthodoxen Kirche, der evangelische Superintendent Hans-Peter Bruckhoff sowie Birgit Schindler von der Aachener Vineyard-Bewegung zusammen.

Im Zentrum des Nachtgebets stand als Schriftlesung ein Abschnitt aus dem ersten Brief des Apostels Paulus an die Christen in Korinth, der mehrfach vorgetragen wurde: in der Einheitsübersetzung, auf Griechisch, sowie in der Übersetzung von Martin Luther. In seiner Predigt ging Superintendent Hans-Peter Bruckhoff ebenfalls auf die Gemeinsamkeiten zwischen den christlichen Konfessionen ein. "Die Wahrheit lautet, dass wir alle Kinder Gottes sind", sagte er. "Wir können uns durch Gottes Wort quer durch die Konfessionen immer wieder treffen."    (Text und Bilder von Caren Braun und Hanna Sturm)