Ein Platz für winzige Sternenkinder

Grabstätte für nicht bestattungspflichtige Kinder in Roetgen - Unentgeltich und religionsunabhängig - Bestattung findet in "Mosekörbchen" statt

Auf dem Friedhof in Roetgen gibt es seit November eine Grabstätte speziell für nicht bestattungspflichtige Kinder. Religionszugehörigkeit und Wohnort der verwaisten Eltern spielen keine Rolle. Allein die Vorstellung reicht aus, dass Viele sofort das Thema wechseln - der Tod eines Kindes. Für die Eltern ist es das Schlimmste, was überhaupt geschehen kann. Für die Betroffenen spielt es keine Rolle, wie alt ihr Kind geworden ist. Ob es zehn Jahre alt wurde, ein Jahr oder ob es nur wenige Monate im Mutterleib lebte. Sie lieben ihren Schatz, das alleine zählt.

Doch das Gesetz macht an dieser Stelle einen Unterschied: Kinder, die unter 500 Gramm wiegen, sind nicht bestattungspflichtig. Zwar passiert es mittlerweile Gott sei Dank immer häufiger, dass verstorbene Baby ungeachtet ihres Gewichts regulär bestattet werden oder gemeinsam mit anderen Frühgeborenen anonym auf einem Friedhof ihre letzte Ruhe finden, aber es ist nicht die Regel und nur möglich, weil die Verantwortlichen wissen, wie fürchterlich die "Alternative" ist: Diese Kinder unter 500 Gramm werden als "medizinischer Sondermüll" deklariert. "So wie amputierte Beine, Arme, Tumor und Gewebeproben", erklärt Dr. Marion Behrendt-Höhne, stellvertretende Vorsitzende des Kirchenvorstandes von St. Hubertus in Roetgen. Als Ärztin und ehrenamtliche Altenseelsorgerin hat sie mehrfach miterlebt, was es für die Betroffenen bedeutet, keinen Ort zu haben, um Blumen niederlegen oder eine Kerze aufzustellen. Mit dem Wissen, wie wichtig ein Grab für die Hinterbliebenen ist, kam die Ehrenamtlerin auf die Idee, einen Bereich auf dem Roetgener Friedhof speziell für Kinder unter 500 Gramm auszuweisen: Eine Grabstätte für winzige "Sternenkinder".

Gemeinschaftsprojekt von evangelischer und katholischer Kirche

Es ist ein Gemeinschaftsprojekt, bei der die katholische und die evangelische Kirche eng zusammenarbeiten. "Ob evangelisch, katholisch, muslimisch oder religionslos, das spielt keine Rolle und auch nicht der Wohnort", erläutert Wolfgang Köhne von der Evangelischen Kirchengemeinde Monschauer Land in Roetgen. "Hier kann jedes nicht bestattungspflichtige Kind beerdigt werden." Einen festen Ort zu haben, um zu trauern, ist elementar, um den Verlust überhaupt bewältigen zu können. Die Grabstätte ihres kleinen Lieblings sei für die Eltern auch eine Art Beweis: "Ihr Kind hat gelebt, und es wurde geliebt", beschreibt auch Behrendt-Höhne die Gefühle der verwaisten Eltern. Mütter und Väter, deren Kind zu früh auf die Welt kam, um überleben zu können, werden von der Gesellschaft häufig gar nicht als Eltern wahr genommen und das schmerzt.

Ob ein Grabstein aufgestellt wird oder nicht, entscheiden die Eltern. Es gibt einen Gedenkstein für alle Sternenkinder, der den Bestattungsbereich markiert. Finanziert wurde dieser durch Spenden. Die Einweihung der Grabstätte auf dem Friedhof an der Hauptstraße fand im November statt und wurde von Köhne und Schornstein gemeinsam zelebriert.

Unentgeltliche Bestattung im "Moseskörbchen"

Damit eine Beerdigung nicht an der Kostenfrage scheitert, stellt die katholische Gemeinde die Gräber unentgeltlich zur Verfügung. Wie bei allen Beisetzungen muss ein Bestatter beauftragt werden, der das Kind in einem "Moseskörbchen" beisetzt. Ob ein Pfarrer, Pastor und Imam anwesend sein soll und ob eine Platte mit dem Namen des Kindes vorgesehen ist, liegt bei der Familie. Behrendt-Höhne und die beiden Seelsorger hoffen, dass viele Menschen von der Begräbnisstätte für nicht bestattungspflichtige Kinder erfahren. "Es ist nachvollziehbar, dass Eltern, die Nachwuchs erwarten, das Thema weit von sich schieben", sagt Pastor Schornstein. "Darum ist es wichtig, dass unabhängig von einer Schwangerschaft die Bevölkerung um diesen Ort weiß", findet der Geistliche.

 "Der Verlust ihres Kindes wird immer schmerzen, egal, wie viel Zeit verstreicht, aber so haben die Eltern wenigstens eine Chance, irgendwann mit dem Verlust umgehen zu können", fügt Pfarrer Köhne hinzu. Seine Worte bei der Einweihung der Grabstätte trafen es auf den Punkt: "So unmöglich wie eine Mutter ihr Kind vergessen kann, kann Gott ein Kind vergessen, auch wenn es nur kurz gelebt hat. Es ist unmögliches Vergessen."

 

(Text und Fotos: Heike Eisenmenger)