Kabarett, Konzerte und Komplet: Kirchen nachts wieder „knallvoll“

Die Nacht der Offenen Kirchen lockt in Aachen trotz strömendem Regen viele Besucher an – Ökumenischer Gottesdienst als „Herzstück der Nacht“ in diesem Jahr mit Grüßen auf Kisuaheli – Programm von Taxifahrer „Kalle“ bis Organist auf Weltniveau

Vom Schenkelklopfer bis zur stillen Besinnung hat die zwölfte „Nacht der Offenen Kirchen“ in Aachen in der Nacht von Freitag auf Samstag wieder ein umfangreiches und vielfältiges Kulturprogramm geboten, das trotz des sehr schlechten Wetters tausende Besucher in die Gotteshäuser zog. 33 Kirchen aller christlichen Konfessionen nahmen daran teil, darunter von der evangelischen Kirchengemeinde auch Annakirche, Friedenskirche, Immanuelkirche und Auferstehungskirche sowie die von evangelischer und katholischer Gemeinde gemeinsam getragene Citykirche.

Anglikanischer Bischof aus Tansania zur Gast

Zum ökumenischen Nachtgebet aller Konfessionen, die in der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in Aachen (ACK) vertreten sind, lud die griechisch-orthodoxe Kirche St. Michael / Hagios Dimitrios an der Jesuitenstraße ein. An diesem Nachtgebet, dem "Herzstück der Nacht der offenen Kirchen", wie Karl-Peter Küpper vom Bistum Aachen sagte, nahmen neben Superintendent Hans-Peter Bruckhoff vom evangelischen Kirchenkreis Aachen und Bischof Dr. Heinrich Mussinghoff aus dem katholischen Bistum Aachen auch der Bischof der griechisch-orthodoxen Kirche Evmenios von Lefka sowie Birgit Schindler von der Vineyard-Gemeinde teil. Ein besonderer Gast in diesem Gottesdienst war der anglikanische Bischof Sadock Yakobo Makaya aus der Diözese West-Tanganyika in Kasulu/Tansania, der die Grüße aus seinem Heimatland überbrachte und das Vaterunser in Kisuaheli sprach. In seiner Predigt dankte Bischof Mussinghoff dafür, dass die Nacht der Offenen Kirchen alle Teilnehmer habe erfahren lassen „wie schön und farbig unsere Kirchen sind“, und dass die christlichen Kirchen „viel mehr haben, das uns verbindet als das uns trennt“. Über die ökumenische Verbundenheit hinaus ging Mussinghoff außerdem auf das gute Verhältnis zur jüdischen Gemeinde in Aachen ein sowie auf den Bau der neuen muslimischen Moschee, der in Aachen im Gegensatz zu anderen Städten ohne Auseinandersetzungen voranschreite.

Inklusion bei großem Familienfest am Kupferofen selbstverständlich

Die von Bischof Mussinghoff gelobte Schönheit und Farbigkeit der Kirchen demonstrierte an diesem Abend das fröhliche Programm der Auferstehungskirche am Kupferofen: Mit einer Mischung aus Gesang, Musik und Tanz zeigten Kinder aus der Gemeinde dort, was „Tag und Nacht“ ausmacht. Junge Musikschüler, Mitglieder der Chöre der Gemeinde sowie die Mädchen und Jungen aus der Evangelischen Kindertagesstätte am Kupferofen und der Städtischen Integrativen Tagesstätte am Pappelweiher machten mit. Musikalisch unter anderem auf der Gitarre begleitet von Pfarrer Martin Obrikat sangen die Kinder im großen Kreis inmitten der Zuhörer, darunter Freunde, Eltern, Großeltern und Nachbarn. „Die Nacht der Kirchen ist bei uns in der Auferstehungskirche immer wie ein großes Familienfest. Wir haben keine ‚Laufkundschaft‘, vielmehr kennt man sich und alle machen mit, egal ob Jung oder Alt“, freute sich Pfarrer Martin Obrikat. „Wir unterstützen diesen Abend gerne mit unserer Logistik“, sagte Hilde Bärnreuther von der Lebenshilfe Aachen. Auch der Gedanke der Inklusion gehöre nämlich zum Miteinander am Kupferofen. 

Die wunderbare Kulisse in Form von Sonne und Mond hatten die Kinder zuvor selbst gebastelt und dekoriert. Auch eine Vielzahl der Texte hatten sie selbst verfasst. „Schon zum zweiten Mal veranstalten wir bei der Kirchennacht einen bunten, fröhlichen Brückenschlag in Tönen, Tänzen, Texten und Theater. Mitmachen verbindet Junge und Alte, Menschen mit und ohne Behinderung“, betonte Obrikat. Am späten Abend stärkten sich die Besucher bei Suppe, Brot und Wein für den letzten Programmpunkt: Ein Konzert des Taborchors aus Forst unter dem Titel „Sing a song of Joy“ mit einfühlsamen und mitreißenden Klängen zur Nachtzeit.

Tänze, Kino und Live-Musik

Während in der Friedenskirche im Aachener Norden Musiker und Bands wie „Hôpital“, „Max Betzold“, „Alibi“ und die „Aix-Immigrants“ mit rockiger Live-Musik ein vorwiegend junges Publikum ansprachen, bot die Immanuelkirche im Süden meditative Tänze, in denen Kinder, Jugendliche und Erwachsene eingeladen waren, Gott im Tanz, in der Musik und in Texten zu begegnen. Danach wurde dort der Film „Das Labyrinth der Wörter“ über die Würde des Alters und die Kraft des Lesens gezeigt. In der Friedenskirche zählten die ehrenamtlichen Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen im Laufe des Abends 425 Besucher. Viele von ihnen genossen nicht nur die Musik, die bis fast ein Uhr nachts geboten wurde, sondern auch Punsch und die selbstgemachten Crêpes, die es im Untergeschoss der Kirche gab.

Besucherandrang "wie zu Weihnachten"

In der Annakirche in der Aachener Stadtmitte hingegen, gab es ein Kontrastprogramm, das von einem Orgelkonzert über Kirchenkabarett bis hin zum Nachtgebet in Form eines gregorianischen Psalmgesangs reichte. „Der Pariser Organist Dominique Levacque hat hier ein Konzert auf Weltniveau gegeben“, sagte Pfarrer Armin Drack. „Und das Konzert mit Werken von César Franck, Marcel Dupré und anderen moderneren Komponisten hat ein erstaunlich breites Publikum angezogen.“ Wie an Weihnachten sei es in dieser Nacht in der Kirche, meinte Drack: "knallvoll!" So blieb es auch, als der Kirchenkabarettist Micki Wohlfahrt Auszüge aus seinem Programm „Aus heiterem Himmel“ präsentierte. „Warum gibt es in den meisten evangelischen und katholischen Kirchen keine Toiletten?“, hieß es darin etwa, und als Antwort „Na, damit die Leute nicht austreten!“

In eine ruhigere Nachtatmosphäre entließen Pfarrer Drack und Kantor Georg Hage die Besucher schließlich mit einer Komplet, die sie im Wechsel mit dem Publikum sangen. „In evangelischen Bruderschaften wird dieses Nachtgebet in seiner mittelalterlichen Form heute noch gepflegt und auf Chorwochenenden singen wir es manchmal, aber öffentlich haben wir die Komplet heute hier in Aachen zum ersten Mal gesungen“, freute sich der Kantor über diese Gelegenheit.

"Menschen in der Nacht" im Gespräch

Noch später als in der Annakirche endete die Nacht der offenen Kirche schließlich in der Citykirche St. Nikolaus an der Fußgängerzone Großkölnstraße. Dort hatte ein Konzert von Carmina Mundi die Kirchennacht eröffnet. Auf eine künstlerische Reise unter de Titel „An die Nacht“ begaben sich anschließend Schauspieler, die Nacht-Gedichte aus der Romantik und der klassischen Moderne rezitierten. Begleitet von der Musik der Formation Ufermann verschmolzen Lyrik und Jazz. Dieses Angebot, koordiniert von der Citykirche in Kooperation mit der ökumenischen Telefonseelsorge Aachen, leitete über zur Gesprächsrunde „Menschen in der Nacht“. „Wir wollen zeigen, wie viele Menschen die Nacht durchwachen, welch wichtigen Beitrag sie für andere leisten und ihren Erfahrungen lauschen“, erklärte Pfarrer Frank Ertel. Die Kooperation zwischen der Citykirche und der Telefonseelsorge sei sehr wichtig, betonte auch Pfarrerin Sylvia Engels. Als Mitarbeiterin der Telefonseelsorge berichtete Pia Müller von ihren Erfahrungen: „Mein Interesse für Menschen und mein Wunsch, etwas Sinnvolles zu tun, haben mich zu dieser Aufgabe in der Nacht gebracht“, sagte die 50-Jährige die seit sechs Jahren in der Telefonseelsorge aktiv ist. „Mal ist ein Gespräch kurz, mal dauert es sehr lange. Der eine kommt mit existenziellen Sorgen auf mich zu, der andere hat ein eher kleineres Problem. Jeden muss man ernst nehmen, für jeden ist das Gespräch gleich bedeutsam“, schilderte Müller.

Bernd Spickers, Leitstellenleiter der Berufsfeuerwehr, berichtete über die Vielzahl der eingehenden Notfälle – vom geplatzten Wasserrohr bis zum Großbrand erfordere jeder Vorfall die zuverlässige Hilfe der Feuerwehrleute. Taxifahrer Karl-Heinz „Kalle“ Hennig erzählte anschließend von seiner Vorliebe für Nachtschichten, kuriosen Begegnungen sowie neuen und bekannten Fahrtzielen. Die Citykirche war bei allen Programmteilen bis auf den letzten Platz gefüllt. Mit Improvisationen zwischen Orient und Okzident von Edmund Elsässer am Klavier und Birgit Reimer an der Violine klang das Programm dann aus, bevor die „Late-night-band“ bis zwei Uhr morgens für alle Nachtschwärmer aufspielte. Eine nächste ökumenische Kooperationsveranstaltung der Citykirche und der Telefonseelsorge steht bereits fest: Für den planen 15. November beide Einrichtungen einen gemeinsamen Suizidgedenkgottesdienst. (Text: Nina Krüsmann und Caren Braun)

Überblick über die evangelischen Kirchen in Aachen

Link zur Internetseite der Citykirche