„Warum hat das Unglück keiner kommen sehen?“

Landessynode übernahm Forderungen der „Höppner-Kommission“ zur bbz-Krise – Aachener Landessynodaler Dr. Matthias Quarch war Mitglied der synodalen Arbeitsgruppe und stellte Antrag zur Umsetzung der Kommissions-Empfehlungen – Quarch: „Das Nachdenken über eine Änderung der Kirchenordnung muss erlaubt sein“

In seinem offiziellen Fazit zur diesjährigen Landessynode der Evangelischen Kirche im Rheinland sagte der dort neu gewählte zukünftige Präses Manfred Rekowski, die „bbz-Krise“ habe sich „wie Teer über die Landessynode gelegt“. Die „Klärungen“ bezüglich der bbz-Krise auf der Synode nannte er ein „Zeichen der Reife der Landessynode“. Mit beteiligt an diesen Klärungen waren auch zwei Akteure aus dem Evangelischen Kirchenkreis Aachen: der Landessynodale Dr. Matthias Quarch und Assessorin Marion Timm, geschäftsführendes Vorstandsmitglied des Diakonischen Werks im Kirchenkreis Aachen e.V.

Dr. Matthias Quarch, Vorsitzender Richter am Landgericht Aachen und Mitglied des landessynodalen Ausschusses für die Kirchenordnung, gehörte der Arbeitsgruppe an, die vor einem Jahr aus der Landessynode heraus gegründet worden war, um eine Kommission unabhängiger Experten einzusetzen und zu begleiten. Diese Kommission hatte die Aufgabe zu erarbeiten, warum es aufgrund „innerkirchlicher Voraussetzungen struktureller und inhaltlicher Art“ zu den fatalen Entwicklungen im Beihilfe- und Berechnungszentrum (bbz) Bad Dürkheim kommen konnte und was in Zukunft getan werden kann, damit ein solcher Absturz eines kircheneigenen Unternehmens sich nicht noch einmal ereignen kann. Nachdem die Kommission auf der Synode ihren Bericht vorgelegt hatte, stellte Quarch gemeinsam mit dem Synodalen Dr. Bernhard Seiger, Superintendent des Kirchenkreises Köln-Süd, den Antrag an die Synode, welcher die Forderungen der Kommission in einen Beschluss fasste. Diesen Antrag nahmen die mehr als 200 Abgeordneten aus den Kirchenkreisen  einstimmig und ohne Enthaltung an.

"Mögliche Interessenskonflikte unbedingt vermeiden"

„Dass überhaupt vor einem Jahr aus der Mitte der Synode ein Ausschuss eingerichtet wurde, ohne die Kirchenleitung zu fragen und zu beteiligen, war an sich ein Novum“, sagte Dr. Matthias Quarch nach seiner Rückkehr aus Bad Neuenahr. „Als ich auf der Synode vor einem Jahr vom Nominierungsausschuss zur Teilnahme an der Arbeitsgruppe angesprochen wurde, habe ich gern zugesagt, denn ich wollte helfen, die bbz-Thematik aufzuarbeiten. Dies hielt ich für sehr wichtig.“ Bei der Wahl der Mitglieder der synodalen Arbeitsgruppe wie auch der Besetzung eigentlichen Kommission sei es von großer Bedeutung gewesen, mögliche Interessenkonflikte zu vermeiden, betonte Quarch. „Weil ja die Arbeit von Landeskirchenamt und Kirchenleitung überprüft werden sollte, durften keinerlei Verflechtungen bestehen. Keiner der Beteiligten sollte Mitglied in irgendeinem Gremium gewesen sein, das mit dem bbz befasst war. Als Vorsitzenden haben wir Dr. Reinhard Höppner ausgewählt, da er auch ganz von außerhalb der rheinischen Kirche kommt.“ Als Expertin für den Bereich „Prozessorganisation / Personalverantwortung“ wurde Marion Timm aus Aachen Mitglied der Kommission. In die Beratungen des Gremiums konnte sie neben der Fachkompetenz auch ihren Blick „aus der Praxis“ einbringen. Die weiteren Experten waren für den Bereich „Theologie/Ekklesiologie“ Professor Okko Herlyn, für „Wirtschaftsethik“ Professor Traugott Jähnichen, für „Wirtschaft/Steuern“ Assessor Henning Aretz und für „Recht“ Professor Udo Bühler.

Höppner: "Entflechtung der Zuständigkeiten" nötig

Die Ergebnisse der Kommission stellte Dr. Reinhard Höppner auf der Synode in einem Vortrag vor. (Den 18-seitigen Bericht können Sie auch HIER downloaden.)

Nach einer präzisen Zusammenfassung der Ereignisse um die bbz-GmbH Bad Dürkheim, in deren Verlauf rund 21 Millionen Euro Kirchengelder unwiederbringlich verlorengingen, kommt der Bericht zum Hauptpunkt: „Warum hat das Unglück praktisch bis zum Schluss keiner kommen sehen?“ Ganz abgesehen davon, dass die von der bbz getätigte Anlage des Risikokapitals nicht in Einklang mit den Richtlinien der Rheinischen Kirche stand, kommt die Kommission zu dem Schluss, dass die Fragen von Leitung, Kontrolle und Gewaltenteilung innerhalb der kirchlichen Strukturen bearbeitet werden müssen. So empfiehlt die Kommission nicht nur, Interessenkonflikte handelnder Personen innerhalb der Strukturen zu vermeiden, sondern auch das Verhältnis von Landessynode, Kirchenleitung und Landeskirchenamt zu überdenken. So sei es wünschenswert, dass ein eigener Synodalvorstand (Präsidium) gebildet und die Kirchenordnung entsprechend geändert werde. In mehreren Schritten seien „Entflechtungen der Zuständigkeiten“ notwendig und die „Verteilung der Verantwortlichkeiten zwischen der Leitung, der Ausführung von Entscheidungen und ihrer Kontrolle“ zu klären. Zu den weiteren vorgeschlagenen Maßnahmen zählen unter anderem die Einrichtung eines Beteiligungsmanagements, die Überarbeitung der Richtlinien für Geldanlagen und die stärkere Fortbildung von Ehrenamtlichen für ihre kirchlichen Aufgaben.

„Der streitigste Punkt dieser Vorschläge ist sicher die Änderung der Kirchenordnung zur Entflechtung der Zuständigkeiten“, sagt dazu Dr. Matthias Quarch. „Ein Nachdenken darüber halte ich aber durchaus für sinnvoll und angebracht.“ Mit dem Arbeitsergebnis der „Höppner-Kommission“ sei er sehr zufrieden. In der Kirchenleitung habe man während des Berichts „keine glücklichen Gesichter“ gesehen, erzählt Quarch. „Kein Wunder, denn der Bericht zeigt die Kontrolldefizite auf Seiten der Kirchenleitung auf.“

Projektausschuss macht Veränderungsvorschläge zur Landessynode 2014

Nach dem nun gefassten Beschluss der Landessynode, der auf den Erkenntnissen der Kommission fußt, werden die ständigen Ausschüsse für Theologie, Kirchenordnung und Rechtsfragen, Öffentliche Verantwortung, Innerkirchliches, Erziehung und Bildung sowie für Finanzen beauftragt, die Analysen und Vorschläge des Berichts zu beraten. Aus den sechs Ausschüssen werden je ein stimmberechtigtes Mitglied und ein/e Stellvertreter/in in einen Projektausschuss entsandt. Der Projektausschuss, dem auch der Präses angehört, wird die Überlegungen der Ausschüsse bündeln und Vorschläge für die Landessynode 2014 zu verfahrenstechnischen, strukturellen und rechtlichen Veränderungen erarbeiten. Im Ständigen Ausschuss für Kirchenordnung und Rechtsfragen wird auch Dr. Matthias Quarch weiter an diesem Thema mitarbeiten und so dazu beitragen, dass ein finanzieller und Image-Schaden wie der, der durch die bbz-Krise verursacht wurde, in der Rheinischen Kirche möglichst in Zukunft ausgeschlossen wird.