"Niemand von uns ist eine Insel"

Gedenkfeier für Verstorbene ohne Angehörige - Oberbürgermeister Marcel Philipp Schirmherr - 180 "Ordnungsamtsbestattungen" 2012/2013 - Symbolische Kerze für jeden Verstorbenen

180 Kerzen zündete Oberbürgermeister Marcel Philipp gemeinsam mit weiteren Vertretern der Stadt Aachen an. Denn jede Kerze bei dieser Gedenkfeier auf dem Friedhof Hüls stand für einen Menschen, dessen Bestattung im Jahr 2012/2013 durch das Ordnungsamt der Stadt Aachen beauftragt werden musste. Oft ist bei einer solchen Bestattung niemand dabei, der die Verstorbenen auf ihrem letzten Weg begleitet, außer dem Pfarrer und den Bestattungsgehilfen.
Weil aber jeder Mensch ein Andenken verdient hat, fand unter dem Titel "Vom Winde nicht verweht" nun die erste öffentliche Gedenkfeier für Verstorbene ohne Angehörige in Aachen statt. Veranstalter der Gedenkfeier war ein Arbeitskreis aus Mitgliedern der evangelischen und katholischen Kirche gemeinsam mit der Stadt Aachen.

Oberbürgermeister ist Schirmherr der Gedenkfeier

"Wenn wir heute dieser 180 Menschen gedenken, dann ist das ein Tag der Trauer, auch über den Umstand, dass sie niemanden hatten, der sich um ihren letzten Gang kümmerte", sagte Oberbürgermeister Marcel Philipp, der als Schirmherr die Gedenkfeier eröffnete. Er bedauerte, dass es in Großstädten wie Aachen immer wieder zu Fällen sozialer Isolation komme: "Niemand von uns ist eine Insel. Soziale Beziehungen sind lebensnotwendig. Keiner kann für sich alleine leben." Daher könne man die Gedenkfeier auch als Weckruf wahrnehmen, besser aufeinander zu achten. Dankbar zeigte sich Marcel Philipp gegenüber den Mitarbeitern des Ordnungsamtes, "die dafür sorgen, dass Tote, die keinen anderen mehr haben, würdig und pietätvoll zu Grabe getragen werden." Auch den christlichen Kirchen in Aachen sprach er seinen Dank aus, schließlich ging die Initiative dieser Gedenkfeier von ihnen aus.

"Was ist der Mensch, dass Du seiner gedenkst?"

Bettina Donath-Kreß, Pastorin der Evangelischen Kirchengemeinde Aachen und Synodalbeauftragte für Trauerbegleitung und Friedhofskultur des Kirchenkreises, zitierte einen Vers aus Psalm 8: "Was ist der Mensch, dass Du seiner gedenkst? [...] Du hast ihn wenig niedriger gemacht denn Gott." Aus diesem Vers, so Pastorin Donath-Kreß, leite sich die unantastbare Würde jedes Mensch ab. Gott habe die Menschen als Gott ähnliche Geschöpfe erschaffen, die sich ihre Würde nicht verdienen müssen, sondern sie von Geburt an in sich trügen. Diese Würde gehe über den Tod hinaus. Deshalb seien die Anwesenden an diesem Tag zusammengekommen, um den 180 Menschen, die aus den unterschiedlichsten Gründen einsam starben, ein würdiges Andenken zu bereiten.

Für jeden Namen eine Kerze

Nach der Predigt verlas Oberbürgermeister Marcel Philipp gemeinsam mit weiteren Vertretern der Stadt und des Ordnungsamtes die Namen aller 180 Verstorbenen des Jahres 2012 und des ersten Quartals 2013. Für jeden Namen zündeten sie, begleitet von Orgelmusik, eine symbolische Kerze an.

Die Gedenkfeier war jedoch ausdrücklich nicht nur ein Gottesdienst. Auch die Menschen, die keiner Kirche angehörten, sollten eingeschlossen werden. Die Gedenkfeier wandte sich an die Hinterbliebenen, Nachbarn, Freunde und Bekannte, die bei der Ordnungsamtsbestattung nicht anwesend waren oder sein konnten wie auch an alle anderen Aachener Bürgerinnen und Bürger, die der Verstorbenen gedenken wollten. Aus diesem Grund veröffentlichte der Arbeitskreis vorab eine symbolische Traueranzeige mit den Namen aller 180 Verstorbenen in den Aachener Zeitungen. Weil bei der ersten Veranstaltung dieser Art in Aachen noch nicht absehbar war, auf welch große Resonanz die Gedenkfeier stoßen würde, äußerte sich auch Pfarrer Josef Voß aus der katholischen Pfarrgemeinde St. Laurentius sehr erfreut, dass zahlreiche Menschen zum Friedhof Hüls gekommen waren, "um den Verstorbenen gemeinsam ein würdiges Andenken zu ermöglichen."

(Text & Bilder: Stephan Klumpp)

 

Vorbericht zur Gedenkfeier auf der Seite des Kirchenkreis