Seit 50 Jahren „für einander da sein“

Evangelischer Betreuungsverein feiert Jubiläum im Haus der Evangelischen Kirche – Festredner würdigen großartige Arbeit der Haupt- und Ehrenamtlichen – Betreuung mit „Respekt, Würde und Fingerspitzengefühl“

Ein lebenswertes, erfülltes und möglichst selbstbestimmtes Leben im Rahmen der gesetzlichen Betreuung zu schaffen, das ist seit nun 50 Jahren das Ziel des Evangelischen Betreuungsvereins in Aachen. Seit April 1963 kümmern sich die Mitarbeitenden dort um Menschen, denen es – häufig aus gesundheitlichen Gründen – nicht leicht fällt, das Leben selbständig zu bewältigen. Mit einer großen Jubiläumsfeier im Haus der Evangelischen Kirche hat der Verein nun auf die vergangen Jahrzehnte zurückgeblickt und die Arbeit der vielen Haupt- und Ehrenamtlichen gewürdigt, die dort tätig waren und sind.

„Wenn Sie hier mit den Menschen mit ihren unterschiedlichen Gaben und Belastungen umgehen, dann geschieht das immer mit Respekt, mit Würde und mit Fingerspitzengefühl – in einem Wort: es geschieht mit Liebe“, sagte Superintendent Hans-Peter Bruckhoff, in seinem Grußwort. Wer sich in die Lebenssituation seines Nächsten hineinziehen ließe und sich für andere einsetze, so wie die Mitarbeitenden des Betreuungsvereins für die Betreuten, der übe im wahrsten Sinne des Wortes „Gottesdienst“, so der Superintendent weiter.

Mitarbeitende des Vereins betreuen zur Zeit etwa 250 Menschen

Zurzeit kümmern sich im Evangelischen Betreuungsverein fünf festangestellte Betreuer, 13 weitere Mitarbeiter und 75 Ehrenamtliche um rund 250 Betreute. Der Verein, der bei der Gründung noch Teil der Evangelischen Kirchengemeinde Aachen war, ist seit 2001 ein eigenständiger Verein, der sich als Teil des diakonischen Kirchenauftrags versteht. Die Menschen, die hier Unterstützung erhalten, brauchen die Betreuung teils aufgrund angeborener Handicaps, aber auch Alkohol-, Spiel- oder Drogensucht sind eine häufige Ursache. „Die Vereinzelung in unserer Gesellschaft und die Arbeitssituation hat außerdem zu einer starken Zunahme der psychischen Erkrankungen geführt“, erklärt Geschäftsführer Udo Krohn-Grimberghe.

Freude und Dankbarkeit für 50 gelungene Jahre

Auf die Geschichte des Vereins und seine aktuelle Situation ging bei der Jubiläumsfeier die Vorsitzende, Pfarrerin Asta Brants, ein. Mit einem Zitat von Selma Lagerlöf sagte sie: „Man sollte nicht ängstlich fragen ‚Was wird noch kommen‘, sondern gespannt sein, was Gott noch mit uns vorhat!“ Am Jubiläumstag freue sie sich über 50 gelungene Jahre und sei einfach nur dankbar. Einen großen Dank der Stadt Aachen an den Betreuungsverein überbrachte auch der persönliche Referent des Oberbürgermeisters, Alexander Lohe, im Namen von Marcel Philipp.

Würdigung im Namen des Oberbürgermeisters

Er betonte, welch wichtige Rolle der Verein im sozialen Gefüge der Stadt einnehme. „Wenn Schutzbedürftige hier allein gelassen würden, wäre dies eine Stadt, in der niemand leben wollte“, sagte Lohe. „Bei Ihnen bedeutet ‚Fürsorge‘ nicht Gängelei, nicht Freiheitsbeschränkung, sondern eine Hilfestellung für größtmögliche Selbständigkeit.“ Besonders hob Lohe hervor, dass im Engagement des Vereins die Betroffenen mit ihren Bedürfnissen in den Mittelpunkt gestellt würden und nicht bloß „verwaltet“. Wenn der Hausarzt zum Beispiel eine psychische oder eine Demenz-Erkrankung diagnostiziert, wenn Nachbarn Auffälligkeiten bemerken oder im Krankenhaus eine Verwahrlosung festgestellt wird, dann kann schließlich ein Richter eine gesetzliche Betreuung anordnen.

Richter muss gesetzliche Betreuung anordnen

Bei seiner Entscheidungsfindung spielen ärztliche Gutachten und Berichte von Verfahrenspflegern eine große Rolle. Die Betreuung bezieht sich auf die Bereiche Gesundheit, Vermögen und Aufenthalt. Das Ziel ist es, die Selbständigkeit wieder herzustellen, damit die Betreuung wenn möglich wieder aufgehoben werden kann. Die meisten Menschen müssen jedoch über eine lange Zeit betreut werden, acht oder neun Jahre sind keine Seltenheit, Demenzkranke meistens bis zum Lebensende. Der persönliche Kontakt mit den Betroffenen ist dem Betreuungsverein ein wichtiges Anliegen.

Unterstützung bei Behördengängen und im Alltag

Insbesondere am Anfang ist die Betreuung sehr intensiv, manchmal kann sie sich später auf den wöchentlichen Besuch der Sprechstunden reduzieren. Es gibt Hilfe beim Ausfüllen von Formularen wie der GEZ-Befreiung, Renten oder ARGE-Anträgen. Gelegentlich ist die Unterstützung auch rein praktischer Natur, zum Beispiel wenn der Kühlschrank nicht funktioniert. Die meisten Menschen mit einer psychischen Erkrankung werden jedoch in der Familie betreut. „Da, wo dies nicht möglich ist, springt der Betreuungsverein ein, zum Beispiel bei Jugendlichen, wo die Familie keinen Zugang mehr hat“, erläutert Geschäftsführer Udo Krohn-Grimberghe. Eine Besonderheit ist, dass er auch Menschen mit einer Hörbehinderung betreuen kann, weil ein Mitarbeiter die Gebärdensprache beherrscht.

Ehrenamtliche und Betroffene schildern eigene Erfahrungen

Zum Schluss der Jubiläumsfeier schilderten schließlich noch zwei Ehrenamtliche und zwei Betreute ihre Erfahrungen mit der Arbeit des Evangelischen Betreuungsvereins. Während die Betreuten dabei unter anderem die Freizeitangebote des Vereins und die gute Erreichbarkeit ihres Betreuers lobten, berichteten die Ehrenamtlichen von den Fortbildungsangeboten und der auch für ihr Leben bereichernden Aufgabe. So sagte Brunhilde Schmitt, die seit zehn Jahren ehrenamtlich für den Verein tätig ist: "Ich bin gerne ehrenamtlich tätig, bin offen für Menschen und gehe gerne auf andere zu. Mir und meiner Familie geht es gut - deshalb möchte ich gern auch anderen etwas abgeben und meine Dankbarkeit zeigen!"