Europa ins Gebet genommen

Zentraler Reformations-gottesdienst der Evangelischen Kirchengemeinde Aachen und Abschlussveranstaltung der Reihe „Evangelische Stand-punkte“ am 31. Oktober

Aachen. Am Abend des Reformationstags predigten beim Zentralen Reformationsgottesdienst der Evangelischen Kirchengemeinde Aachen in der Annakirche die beiden Superintendenten der Kirchenkreise Aachen und Jülich, Hans-Peter Bruckhoff und Jens Sannig. Der Gottesdienst in der dicht besetzten Kirche stand unter dem Titel "Europa ins Gebet nehmen". Mit ihrer Predigt knüpften sie an die erfolgreiche Veranstaltungsreihe „Evangelische Standpunkte“ an und appellierten, die Herausforderungen der Gegenwart anzunehmen und als Christen in einer zerrissenen Welt Gott nachzufolgen.

Fazit mit Ermutigung zum Wertebekenntnis

„Europa ist als Wertegemeinschaft erschienen, aber es fehlt an Mut und Ermutigung, die Werte konsequent in alle Lebensbereiche zu übernehmen. Christlicher Glaube sollte dazu beitragen und den Mut schärfen“, resümierte Beyer.
„Wir müssen verstehen, dass Europa nicht gemacht ist, sondern dass wir Europa machen“, betonte Sannig abschließend. Es gelte, die Frage nach den Werten und den Menschenrechten zu diskutieren.
„Wir sollten heute mit Blick auf das Evangelium kritisch und streitbar bleiben“, sagte Büssow mit Bezug auf die Reformation vor 500 Jahren. Das Jahr 2014 sei von vielen Jubiläen und Gedenktagen geprägt gewesen: Luther-Dekade, 80 Jahre Barmer Theologische Erklärung, 25 Jahre Mauerfall und 100 Jahre Ausbruch des Ersten Weltkrieges.

Schülerinnen gestalteten Gottesdienst mit

Schülerinnen des Mädchengymnasiums Jülich präsentierten in Begleitung von Religionslehrer Dr. Udo Lenzig die Ergebnisse ihrer Arbeiten zum Thema „Europas Werte“. Eine kleine Ausstellung mit Kunstwerken im Altarraum zog ebenso die Blicke der Besucher auf sich wie eine Power Point Präsentation über Europa.

Die Schülerinnen der Klasse 7d führten ihren mitreißenden „Europa-Rap“ gleich zweimal auf und hinterließen damit bleibenden Eindruck in Aachen. René Rolle begleitete den Gottesdienst an der Orgel, spielte unter anderem eine Improvisation zur Europahymne. „Wir haben heute Schlaglichter auf die Abende geworfen, an denen wir um Standpunkte gerungen haben. Entscheidend für Europa ist der Zusammenhalt. Glaube und Gemeinschaft kennen keine Grenzen und unsere Anliegen enden nicht an nationalen Grenzen“, betonte Büssow abschließend.

Abschlussveranstaltung der Reihe „Evangelische Standpunkte“

Vor dem Gottesdienst hatte mit regem Publikumsinteresse die Abschlussveranstaltung der Reihe „Evangelische Standpunkte“ stattgefunden. Auch diese gemeinsame Veranstaltungsreihe der Kirchenkreise Aachen und Jülich befasste sich mit Europa und Europas Werten.
Pfarrerin Bärbel Büssow von der Evangelischen Annakirche Aachen begrüßte Superintendent Sannig und Dozent und Autor Dr. Uwe Beyer und befragte sie zu ihren Eindrücken von den fünf Veranstaltungen in diesem Jahr. Der gegenwärtige Flüchtlingsstrom und die Herausforderungen, die sich der Gesellschaft dadurch stellen, waren ein wichtiges Thema. Sannig betonte, dass man eine „Willkommenskultur“ etablieren müsse, um gerade den jungen Menschen eine Zukunftsperspektive zu schenken.

Auseinandersetzung mit den Fragen und Herausforderungen der Gegenwart

Seit der Auftaktveranstaltung mit EU-Parlamentspräsident Martin Schulz am 22. März hatte sich die neue Erwachsenenbildungsreihe der Kirchenkreise Aachen und Jülich mit fünf weiteren Veranstaltungen der Auseinandersetzung mit den Fragen und Herausforderungen der Gegenwart gestellt. „Standpunkte zu gewinnen ist eine Gemeinschaftsbewegung", sagten dazu die beiden Superintendenten Bruckhoff und Sannig.
Im April hatte es eine Bestandsaufnahme der hundert Jahre zwischen Völkerkrieg 1914 und Europawahl 2014 gegeben. Professor Rotte betonte hier, dass man aus den Folgen des Ersten Weltkreis lernen muss. „Gerade heute müssen wir alle aufpassen, dass sich so etwas nicht wiederholt. Frieden ist das Gebot eines gestalteten Miteinanders in Europa. Friedliche Zeiten wie heute sind keinesfalls selbstverständlich“, betont Sannig.
Im Mai stand „Europas Jugend" im Fokus. „Sechs Millionen Jugendliche in Europa sind arbeits- und perspektivlos. Es ist eine Generation der Enttäuschten, vor allem in Südeuropa ist die Lage desolat“, stellte Büssow fest. Dr. Uwe Beyer betonte, dass die große Gefahr sei, dass sich junge Menschen im Stich gelassen fühlen. Es gelte, ihnen Werte wie Demokratie, Solidarität, Frieden und Freiheit zu vermitteln. Wirtschaftlicher Wohlstand und soziale Sicherung seien entscheidend, denn im anderen Fall resultiere daraus Enttäuschung, die der Nährboden für eine Wiederbelebung des nationalistischen Gedankentums ist. Ein „transnationales Bewusstsein“ sei nötig, um den Ausbildungs- und Arbeitsmarkt positiv zu beleben. Fremdsprachenkenntnisse, eine Angleichung von Studium und Ausbildung und die Förderung von Programmen wie „Erasmus“ an den Hochschulen und „Comenius“ an den Schulen seien wichtig. „Kirche sollte wertschätzend sein und Werte vermitteln“, betonte Beyer weiter.
Im September ging es um den Umgang mit den ehemaligen „Ortskräften" in Afghanistan, die deutsche Soldaten dort unterstützten. „Die Ortskräfte sind unverzichtbare Unterstützer, Dolmetscher und Wachleute“, betonte Beyer. Zum Aachener Leitungsteam der „Evangelischen Standpunkte“ hatte neben Bruckhoff, Beyer und Büssow auch Jürgen Groneberg von der Evangelischen Erwachsenenbildung gehört.

Nina Krüsmann