Schulterschluss für den Frieden und das Miteinander

4000 Menschen setzen bei "Aachen steht zusammen" ein Zeichen gegen Intoleranz, Rassismus und Gewalt - Superintendent Bruckhoff: "Wir werden Hass nicht mit Hass beantworten"

Der vergangene Sonntag stand in Aachen ganz im Zeichen eines friedlichen Miteinanders der Religionen und setzte ein Zeichen für ein tolerantes und weltoffenes Miteinander der Menschen in Aachen. Der Evangelische Kirchenkreis Aachen war deutlich daran beteiligt.

Im prachtvollen Ballsaal des Alten Kurhauses lud der Aachener Arbeitskreis „Dialog der Religionen“ am Nachmittag zum 5. Friedensmahl der Religionen ein. Mehr als 300 Gäste nahmen teil und erlebten einen angeregten Austausch.

Jeder kann in seinem Alltag einen Beitrag leisten

Die Integrationsbeauftragte der Stadt Aachen, Heidemarie Ernst, eröffnete die Veranstaltung: „Die aktuelle Lage hat noch mehr Gäste angezogen, die sich mit uns über den Frieden im Alltag austauschen möchten. Viele verschiedene Religionen sind bei diesem Treffen anwesend.“ Das Thema „Frieden im Alltag“ mache deutlich: Jeder könne einen Beitrag für ein gutes Zusammenleben leisten, in der eigenen Familie, in der Nachbarschaft oder für die Umwelt. „Es ist den Aachenern aktuell ein großes Anliegen, Frieden zu fördern. Der Ballsaal ist nun schon zu klein geworden und wir planen nächstes Mal in einen größeren Raum zu gehen“, sagte sie.

Vielfältige und weltoffene Stadt heißt Fremde willkommen

Von Seiten der Stadt begrüßte Bürgermeisterin Hilde Scheidt die Gäste. „Die Europastadt Aachen war immer eine vielfältige und weltoffene Stadt, in der Menschen anderer Nationen und Religionen willkommen waren. Darauf können wir stolz sein. "Wir müssen und wollen weiter daran arbeiten, Fremde aufzunehmen, Flüchtlinge und Schutzbedürftige willkommen zu heißen“, betonte sie.

Pfarrer Hans Christian Johnsen vom Evangelischen Kirchenkreis leitete, zusammen mit Geert Hartjen, die Teilnehmer zu einem lockeren Kennenlernen an: Wer war in Aachen geboren (die wenigsten)? In welchen Zusammenhängen von Arbeit, Familie, Religionsgemeinschaften waren die Menschen verbunden? Das wurde in bunten Aufstellungen sichtbar. Danach wurden die Gäste eingeladen, sich in Tischgruppen zu mischen, und bei internationalen Spezialitäten ins Gespräch zu kommen. Der große Andrang hatte alle überwältigt.

Nicht Böses mit Bösem vergelten

Etliche evangelische Gemeindeglieder mischten sich in die bunte Runde, darunter Superintendent Hans-Peter Bruckhoff und Pfarrer Martin Obrikat. Der Superintendent lobte das nachhaltiges, wertvolle Miteinander. „Es geht um den gemeinsamen Weg, nicht um Parolen und Reden. Das gemeinsame Essen und der heutige Austausch schaffen persönlichen Kontakt“, betonte Bruckhoff. Aachen habe von sich aus ein Zeichen gesetzt - nicht nur als Reaktion auf den Terroranschlag von Paris, sondern als eigener konstruktiver Beitrag: „Wir wollen heute zeigen, dass man Hass und Fanatismus nur mit Liebe und Geduld begegnen kann. Man sollte nicht selbst hassen und Böses mit Bösem vergelten. Vertrauen und ein friedliches Miteinander schaffen die beste Sicherheit“, betonte Bruckhoff.

In den angeregten Gesprächen an der Tischen wurden Puzzleteile gestaltet, mit mit Ideen für den Frieden vor der Haustür, mit Gedanken zu einem harmonischen Miteinander der Kulturen. Die beiden Moderatoren Pfarrerr Hans Christian Johnsen und Geerth Hartjen stellten zum Abschluss die Ergebnisse der Gespräche in Interviewform vor. Dabei wurde das Puzzle zusammengesetzt, das später durch die Aachener Gemeinden des Dialogs der Religionen wandern wird.

Friedensmarsch zum Katschhof

Von dem Friedensmahl im Alten Kurhaus an der Komphausbadstraße zogen die mehr als 300 Teilnehmer gemeinsam in einem Friedensmarsch durch die Großkölnstraße und über den Marktplatz zum Katschhof. „Aachen steht zusammen“ - Unter diesem Motto hatte Oberbürgermeister Marcel Philipp alle Aachener zu einer Stunde für den Frieden und für das Miteinander eingeladen. Aufgrund der Ereignisse in Paris gab es dieses Zusammensein auf dem Katschhof zwischen Dom und Rathaus, das auch für Meinungs- und Pressefreiheit warb. Die Veranstaltung richtete sich gegen Intoleranz, Rassismus und jede Form von Gewalt.

Gedenkstunde im strömenden Regen

4.000 Menschen waren trotz strömendem Regen gekommen, um zu zeigen: Aachen steht zusammen. Der bekannte Akkordeonkünstler Manfred Leuchter rahmte die Feier zusammen mit dem palästinensischen Klarinettisten Mohammed Najem musikalisch ein.  „Aachen, das sind wir alle“, sagte Oberbürgermeister Marcel Philipp. Er appellierte an die Bürger, eine Spaltung der Gesellschaft nicht zuzulassen und ein Zeichen für ein friedliches Miteinander zu setzen. Terror im Namen der Religion solle keine Chance haben.

Kerzen am Friedenslicht aus Bethlehem entzündet

Die Vertreter des „Dialogs der Religionen“, beteten für den Frieden. Dabei entzündeten sie jeweils eine Kerze am Friedenslicht, das aus Bethlehem mitgebracht worden war. Beteiligt waren sieben Religionen: die Bahai, die Juden, die Christen, die Muslime, die Hindus, die Aleviten und die Buddhisten. Für die christlichen Kirchen betete der katholische Pfarrer Rolf-Peter Cremer, unterstützt den Vertretern der anderen Kirchen. Etliche Pastoren und Prädikanten der evangelischen Kirche waren dabei, sowie Vertreter der griechisch-orthodoxen, der russisch-orthodoxen, der koptisch-orthodoxen, der afrikanischen Gemeinden und der Freikirchen. Im Anschluss an die Friedensfeier wurde das Licht von den Vertretern der Religionen in Form von eintausend Kerzen unter den Gästen auf dem Katschhof verteilt. „In Aachen fällt der Regen immer links und rechts neben die Kerzen,“ ermunterte der Pressesprecher, Bernd Büttgens, die viertausend Menschen auf dem Katschhof. Es war ein eindrucksvolles Bild, als die Kerzen aus dem Schutz der Regenschirme in den Aachener Himmel gehalten wurden.

Der Rabbiner, Max Mordechai Bohrer hielt eine kurze Rede, in der er sich dankbar für die Unterstützung und Gemeinschaft zeigte. Der Sprecher der muslimischen Gemeinden in Aachen, Abdurrahman Kol, rief dazu auf, dass angesichts der vielen Krisen in der Welt, der Frieden und der Respekt voreinander, auch vor den jeweiligen religiösen Gefühlen, geachtet werden sollte, und betonte, dass die muslimischen Gemeinden die Terrorakte als Angriff auf die Religion ablehnten.

Superintendent spricht für die christlichen Gemeinden

Der Superintendent des Evangelischen Kirchenkreises Aachen, Pfarrer Hans-Peter Bruckhoff, hielt eine Rede stellvertretend für die christlichen Gemeinden. Er zeigte sich berührt von der breiten Resonanz in der Bevölkerung. Das gute Band des Miteinanders von Menschen verschiedener Religionen, aber auch von Menschen die sich nicht religiös verstehen, wird belastet, werde beansprucht, sagte er. Aber das Band des Gesprächs halte und trage alle. Pfarrer Bruckhoff erinnerte: „Wir brauchen ein Bekenntnis zu Toleranz, weltanschaulicher und religiöser Pluralität und Dialog zwischen den Religionen. ,Lass dich nicht vom Bösen überwinden, sondern überwinde das Böse mit Gutem’ (Römer 12,21). Diese Aufforderung verpflichtet uns. Wir werden Hass nicht mit Hass beantworten und für gewaltfreie Konfliktlösungen eintreten. Wir wenden uns gegen Diskriminierung, Islamfeindlichkeit und Antisemitismus und betonen das gemeinsame Engagement von Christen, Juden und Muslimen für Gerechtigkeit und ein friedliches Zusammenleben in unseren Gesellschaften. Gerade jetzt gemeinsam!“

Manfred Leuchter und Mohammed Najem spielten zum Abschluss eine Partitur von Bach – einem evangelischen Komponisten, mit arabischer Improvisation verbunden. Nicht nur der Flötenklang die Gedenkstunde wird in den Ohren bleiben. Dieser Tag hat ein deutliches Zeichen für den Zusammenhalt der Gesellschaft, der Religionen und Kulturen in der Stadt gesetzt, Aachen steht zusammen – auch mitten im Regen.

 

(Text und Bilder: Nina Krüsmann)