Grenzerfahrung 2015 – …das Wesentliche ist für die Augen unsichtbar.“

Deutsche und geflüchtete Jugendliche verbringen Herbstferien im Jugendhaus Monschau miteinander

Die "Grenzerfahrung 2015" beginnt mit einer positiven Überraschung: Im Jugendhaus Monschau treffen nicht nur fremde, sondern auch viele bekannte Gesichter ein. An der Begegnungswoche nehmen in diesem Jahr 19 geflüchtete Jugendliche und acht aus Deutschland teil. Organisiert wurde das Herbstferienprojekt zum zweiten Mal vom Jugendreferat des Evangelischen Kirchenkreises Aachen zusammen mit dem Zentrum für soziale Arbeit in Burtscheid. Rund die Hälfte der Teilnehmenden war schon bei der ersten Grenzerfahrungswoche 2014 dabei. Das ist ein gutes Zeichen, denn offenbar haben die Behörden den ausländischen Jugendlichen eine Chance gegeben, hier anzukommen und in unserer Region Fuß zu fassen, statt ihnen noch einmal einen neuen Aufenthaltsort zuzuweisen, wie es auch häufig geschieht.

Die zweite Überraschung ist, dass die Sprache mittlerweile kaum noch ein Problem darstellt. Fast alle Flüchtlinge haben mittlerweile eine Platz in einer Schule bekommen und sind dabei, Deutsch zu lernen. Für die einfache Verständigung beim Essen oder in den Pausen reicht es aus. Die komplizierteren Fragen in den Workshops werden übersetzt, entweder in einfaches Deutsch oder aber die jeweilige Muttersprache. Vielleicht rührt daher auch die Frage einer Teilnehmenden, wie viele Flüchtlinge bei der Woche dabei sind. Sie hatte halt einige nur für ausländische Jugendliche gehalten und ist erstaunt, dass das alles Flüchtlinge sind. Man sieht, wie einfach Jugendlichen miteinander in Kontakt kommen. Aber wo die Verständigung zunimmt, können auch Konflikte wachsen.

Jeder und jede lernt von den anderen

Das Wochenthema ist angelehnt an die Kunstaktion des Kirchenkreises " Sichtbar!?", an der sich die Gruppe auch beteiligen wird. Und natürlich fragen sich die Betreuenden am Anfang, was wohl in dieser Woche sichtbar werden wird, wie sich die Jugendlichen einander präsentieren und was sie anderen zeigen möchten. Je nach Naturell oder Herkunft sind die Unterschiede groß. So wird es in diesem Jahr kein gemeinsames Gruppenfoto geben, da nicht alle wollen, dass man ein Bild ihnen ins Internet stellt. Andere haben keinerlei Probleme, Fotos von sich zu machen und in sozialen Netzwerken einzustellen, manche können davon gar nicht genug bekommen.

Es ist daher nicht verwunderlich, dass am Anfang der Foto-Workshop gut besucht ist. Aber auch der Deutschkurs funktioniert prima, entwickelt sich allerdings im Sinne der Begegnungswoche zu einem Sprachkurs in beide Richtungen. Flüchtlinge lernen deutsche Begriffe, Deutsche lernen die gleichen Begriffe in Persisch, Arabisch und weitere Sprachen. Es ist nichts davon zu spüren, dass sich eine Gruppe für etwas Besseres hält, sondern jeder und jede lernt von den Anderen.

Pubertät als Herausforderung

So einfach und problemlos vieles klappt, so schwierig wird es zwischendurch an anderer Stelle. Die Teilnehmenden sind zwischen 14 und 19 Jahren alt, viele also noch mitten in der Pubertät, ein Lebensalter, dass selbst dann eine Herausforderung darstellt, wenn man in einer gemeinsamen Kultur aufwächst. Aber wenn die entwickelnde Identität und die einst gelernten Rollenmuster nun auch noch von einer fremden Kultur in Frage gestellt werden, können sich Empfindlichkeiten potenzieren. So muss geklärt werden, welche Annährungen zwischen Jungen und Mädchen o.k. sind und welche nicht. Nach dem ersten Fehler haben es fast alle kapiert.

Für einige ist es auch schwierig, sich an die Gruppenregeln zu halten. Gemeinsame Zeiten werden nicht eingehalten, man(n) gerät aneinander, vor Küchen- und Aufräumarbeiten wird sich gedrückt. Dies hat allerdings wenig mit den unterschiedlichen Kulturen zu tun, sondern muss auch auf jeder herkömmlichen Freizeit und Ferienmaßnahme ausgehandelt werden

Festmahl wird zur Belastungsprobe

Eine Belastungsprobe stellte allerdings das gemeinsame Festmahl zum Schluss der Woche dar. Dazu haben alle in Gruppen etwas vorbereitet - entweder eine Vorspeise, eine Hauptspeise oder einen Nachtisch. Teilweise wurde sogar zuhause angerufen, um das Rezept nachkochen zu können. Alle waren mit Eifer dabei. Der Raum wurde schön gestaltet und durch den späteren Beginn haben viele schon Hunger. Ganz im Stil eines europäischen Festmahls, werden die einzelnen Gänge nacheinander serviert. Doch das ist etwas, das nach dem Verständnis vieler, gar nicht geht. Spätestens nach der Suppe, dem ersten Gang, wird dem Ärger Luft gemacht.

Schnell wird der zweite Hauptgang serviert und die Nachspeisen auf den Tisch bereit gestellt. Doch für manche ist das zu spät. Trotzdem wird im Anschluss daran noch gefeiert und bis spät in den Abend musiziert und getanzt. Die Gruppe fängt sich selber wieder auf.

Grenzerfahrung vernetzt

"2 Stunden nur mit Essen zu verbringen bin ich nicht gewöhnt", sagt ein Teilnehmender bei der Auswertung. Der Fehler der Vorbereitungsgruppe war es, anzunehmen, dass es sich um eine internationale Esskultur handelt. Hätten wir ein Buffet gemacht, wären alle zufrieden gewesen. Wir lernen voneinander. Ohne Missverständnisse wird es kaum ein echtes Kennenlernen geben. Die Kritik ist konstruktiv und wird von schönen Erlebnissen bei Sport und Schwimmen abgelöst. Am Ende gibt es mündlich die ersten Anmeldungen für das nächste Mal und Wünsche, wie wir es gestalten sollen. Sport und Spiel muss in jedem Fall dabei sein. Aber vielleicht auch ein Fest. Mit Musik, Tanz und einem Buffet.

Die Woche ist beendet, die Grenzerfahrungen gehen weiter. Wie beabsichtigt haben sich die Teilnehmenden miteinander vernetzt. Auch mich erreichen Freundschaftsanfragen in den sozialen Netzwerken. Ein intensiver Austausch von Fotos und Nachrichten hat begonnen. Zum Glück sind ja noch Ferien, da kann man mal aus der Eifel nach Aachen fahren, um seine neuen Freunde zu besuchen. Bleibt zu wünschen, dass das bis zur nächsten Grenzerfahrung hält.

Dankesworte und Spendenhinweis

Es bleibt an dieser Stelle nur noch, den Mitarbeiterinnen des Zentrums für soziale Arbeit zu danken, die dieses Seminar mit vorbereitet und begleitet haben. Sie waren sowohl wichtige Ansprechperson als auch Organisatoren von Workshops und Küche. Ein Dank auch an alle Menschen, die diese Arbeit finanziell unterstützt und es ermöglicht haben, dass alle Teilnehmende umsonst mitfahren konnten.

Wenn auch Sie die Arbeit finanziell unterstützen möchten, spenden Sie bitte einen selbstgewählten Betrag an das

Verwaltungsamt Kirchenkreis Aachen IBAN: DE42390500000000000216

Verwendungszweck: M100.482000.11200100 Grenzerfahrung

Ihr Geld hilft uns, diese Arbeit auszubauen.

Für 2016 ist geplant, eine Begegnung im Frühjahr und im Herbst durchzuführen. Es ist zudem beabsichtigt, in Kooperation mit einer Gemeinde, minderjährige Flüchtlinge bei einer Sommerfreizeit mitzunehmen. Hier wird Geld für den Teilnehmendenbeitrag benötigt als auch für die Schulung von Hauptberuflichen und Ehrenamtlichen. Das Jugendreferat würde sich freuen, wenn wir Sie als Spenderin oder Spender gewinnen könnten.

(Text und Fotos: Axel Büker, synodaler Jugendreferent)