Zuhörer und Mutmacher im "Kosmos" Uniklinik

Vier Pfarrerinnen und Pfarrer arbeiten in der Evangelischen Klinikseelsorge an der Uniklinik der RWTH Aachen – Ein Angebot für Patienten, Angehörige und Mitarbeitende

Seelsorge, das kann manchmal eine heiße Tasse Kaffee sein, oder ein Gespräch über das spannende Fußballspiel des vergangenen Abends. Natürlich aber auch ein Besuch am Krankenbett. Ein offenes Ohr, oder ein freundliches Wort, welches dem Angesprochenen ein kleines Lächeln entlockt. Das Team der evangelischen Klinikseelsorge im Uniklinikum Aachen hat das alles im Angebot. „Ich  spiele als Pfarrer auf dem Spielfeld des Patienten, nicht andersherum“, erklärt Pfarrer Dirk Puder. „Der Patient hat das Recht, Raum und Zeit zu füllen. Alles, was belastet, das hilft oder das die Stimmung verbessert, darf bei uns angesprochen werden.“

Ein offenes Ohr für die Sorgen der Menschen in der Uniklinik

Denn Menschen im Krankenhaus sind nicht nur Patienten. Es ist auch die alleinerziehende Mutter, die mit den Gedanken zu Hause bei der Familie ist und jemanden braucht, dem sie ihr Herz ausschütten kann. Es kann auch ein Jugendlicher mit Liebeskummer sein, oder eine Krankenschwester, die die Eindrücke ihrer ersten OP nicht verkraftet hat. Die Klinikseelsorge ist Ansprechpartner für alle Menschen in der Uniklinik, die einen Gesprächspartner brauchen. Alle Menschen, die in einer Extremsituation sind, Trost brauchen und Schmerzen haben. Oft geht es nicht darum, Probleme auch konkret zu lösen. Denn Seelsorger geben keinen Ratschlag, nehmen keine Entscheidung ab, sondern sind Gesprächspartner, mit dem Betroffene Trauer, Sorgen oder eine Diagnose teilen können. Das größte Problem in der Klinik sei die Einsamkeit, sagt Pfarrer Puder. „Menschen, die keinen Besuch bekommen, am Krankenbett Gesellschaft zu leisten, das ist eine meiner seiner Hauptaufgaben.“ Dabei habe Seelsorge auch einen medizinischen Nutzen. „Wer geistig ausgeglichen ist, hat ein besseres Immunsystem“, ist Pfarrer Puder überzeugt. Deshalb gehöre die Seelsorge zum Prozess der Heilung dazu. Anders als ein Psychologe könne er bei Gesprächen aber seinen Glauben als Zusatzinstrument nutzen, das ihm eine erweiterte Sicht auf die Welt und die Zeit bietet, auf ein Leben nach dem Tod.

Im Kosmos Uniklinik sind Teamwork und Kaffee gefragt

Seit 20 Jahren gehört Dirk Puder zum Team der evangelischen Klinikseelsorge an der Uniklinik Aachen. Mit ihm arbeiten dort Pfarrerin Sabine Haag, Pfarrerin Sabine Hölzer-Pöll und Pfarrer Dr. Arnd Herrmann, die jeweils eine halbe Stelle innehaben. Pfarrer Puder arbeitet in Vollzeit. Neben dem evangelischen verfügt die Uniklinik auch über ein katholisches Seelsorge-Team, so dass jede Station einen evangelischen und einen katholischen Seelsorger als Ansprechpartner hat. Beispielsweise ist Dirk Puder der Inneren Station und der Palliativstation zugeteilt. Daneben besuchen die Seelsorger auch die Patientenstationen. Wen und wie viele Patienten sie besuchen, legen die Seelsorger selbst fest. Das Tagesziel von Pfarrer Puder umfasst im Durchschnitt vier intensive Gespräche am Vormittag, und vier am Nachmittag. Seine Besuche plant er morgens am PC. So schaut er nach, ob in der Klinik neue Patienten stationär aufgenommen wurden, die er begrüßen kann oder er sucht gezielt nach Patienten, die von weither kommen und sich daher besonders über Besuch freuen könnten. Manchmal besucht er an einem Tag auch schwerpunktmäßig die Geburtstagskinder.

Vor seiner Tätigkeit als Klinikseelsorger war Dirk Puder sechs Jahre lang Gemeindepfarrer am Niederrhein. Seine Leidenschaft für die Seelsorge hat er schon während des Theologiestudiums entdeckt. Damals war er bei der Telefonseelsorge tätig. In den 20 Jahren als Klinikseelsorger habe sich einiges verändert, erzählt er. Beispielsweise habe der Fortschritt der Technik in der Medizin neue ethischen Fragen geschaffen, mit denen sich die Seelsorge beschäftige. Die Liegezeit der Patienten hat sich in den vergangenen Jahren auf rund sieben Tage verkürzt. Dies wirkt sich auch auf die Arbeit der Seelsorge aus: Oft sieht Pfarrer Puder seine Patienten nur ein einziges Mal. Das Seelsorge-Team hat auf den Trend zu ambulanten Behandlungen statt stationärem Aufenthalt mit einem mobilen Kaffeewagen reagiert. Damit mischen die Seelsorger sich regelmäßig unter die Wartenden in der Ambulanz. Das „Modellprojekt Ambulanz-Seelsorge“ besteht inzwischen seit zehn Jahren. Vom Kaffee mit Milch und Zucker bis zum Gespräch bietet das Angebot alles, was die Wartezeit etwas „versüßt“ oder verkürzt. Und das kommt gut an bei den Patienten.

Mit Offenheit gegen Vorurteile

Auch im Allgemeinen werde das Angebot der Klinikseelsorge gut genutzt, sagt Pfarrer Puder. Dass er aktiv von einem Patienten zu sich gerufen werde, passiere zwar nicht so häufig. Stattdessen gehe er aber von sich aus auf die Menschen zu und suche das Gespräch mit ihnen. Frauen seinen meist offener als Männer, stellt Puder fest.  Auch sei der Zugang zu Patienten leichter, bei denen Kirche im Alltag eine Rolle spielt. „Aber spannender sind vielfach sogar die anderen Patienten“, findet Pfarrer Puder. „Ich mag, dass ich bei ihnen Vorurteile entkräften kann.“ Dabei gehe es jedoch nie darum, Menschen Gott oder den Glauben aufzuzwingen. Gespräche darüber können aber überall entstehen, ob im Krankenzimmer, im Aufzug oder der Cafeteria. Genau das macht Pfarrer Puder Spaß an der Arbeit in seinem „Kosmos“, wie er den Gebäudekomplex der Uniklinik nennt. Er ist neugierig die vielen neuen Menschen, die er jeden Tag an seinem Arbeitsplatz trifft: wechselnde Patienten, viele Auszubildende, Ärzte, Besucher. Für einen Pfarrer ist das Klinikum ein besonderer Arbeitsplatz, mit viel Anonymität , die aber auch ein Vorteil sein kann, wie Pfarrer Puder meint: „Wenn mir jemand etwas anvertraut, den ich wahrscheinlich nicht mehr wiedersehe, dann ist die Schwelle etwas Intimes zu erzählen niedriger, als bei dem Gemeindepfarrer, der einem täglich über den Weg läuft.“

Trauungen, Taufen & Trauerfeiern

Der Nachteil gegenüber der Arbeit eines Gemeindepfarrers sei hingegen die fehlende feste Bindung zu den Menschen. Während der Krankenhausseelsorger Menschen in einer akuten Notsituation nur für ein paar Tage begleitet, kennt ein Gemeindepfarrer Familien ein ganzes Leben lang: von der Taufe, über die Konfirmation bis zur Trauung.

Aber auch in der ökumenischen Kapelle im Uniklinikum geben sich Paare das Ja-Wort. Beispielsweise haben sich dort in der Vergangenheit schon zwei Mal Krankenschwestern trauen lassen, die in der Uniklinik angestellt sind und daher eine besondere Verbindung zur Kapelle haben. Daneben werden in der Kapelle auch Nottaufen von schwerkranken Patienten und auch Trauerfeiern für verstorbene Klinikmitarbeitende durchgeführt. Einmal im Jahr findet auf dem Aachener Westfriedhof mit den Studierenden der RWTH auch eine „Anatomie-Beerdigung“ statt. Natürlich werden in der Kapelle auch regelmäßig evangelische Sonntagsgottesdienste gefeiert. Diese seien allerdings  kürzer als in der Kirchengemeinde und regelmäßig mit Abendmahl, erklärt Puder: „Wenn man in einer Extremsituation ist, tut es gut Symbole zu bekommen.“ Nach Absprache können Kranke das Abendmahl auch auf dem Zimmer erhalten

"Jeder Tag ist wertvoll"

Das schwierigste seiner Arbeit in der Krankenhaus-Seelsorge sei für ihn nicht das Thema Trauer und Tod, sagt Pfarrer Puder, sondern wenn eine Reaktion des Gegenübers ganz fehle. Der Kontakt mit Menschen, mit denen man nicht kommunizieren kann, weil sie weder sehen noch sprechen können. Ihnen beizustehen, ihnen zum Beispiel am Bett etwas vorzulesen, ohne eine Reaktion erkennen zu können, das mache ihm zu schaffen, sagt er. Nach solchen Momenten oder auch nach schweren Gesprächen tankt Pfarrer Puder gern Kraft in der Natur. Raus aus den langen grünen Gängen des Uniklinikums, und rein in den Park oder auf den Außenbereich auf der 7. Etage des Gebäudes, seiner „Geheimoase“, wie er sagt. Manchmal brauche auch er selbst Seelsorge, sagt der Pfarrer. Die bekomme er dann von seinen Teamkollegen, die sich gegenseitig unterstützen. Die zwanzig Berufsjahre in der Klinikseelsorge hätten seine Psyche verändert, aber nicht belastet, findet Puder. Er habe gelernt gelassener zu werden, gegenüber allem, auch gegenüber eigenen Sorgen. Und noch mehr: Man solle jeden Tag nutzen, etwas tun, was einem Freude macht, findet Pfarrer Puder. „Ich habe gelernt: Jeder Tag ist wertvoll.“ Und diese Botschaft bringt er täglich auch mit auf die Patientenstationen.

(Text und Bilder: Christiane Illmann / Kirchenkreis Aachen)

Neue Internetpräsenz der katholischen und evangelischen Klinikseelsorge

Die Seelsorge an der Uniklinik hat jetzt eine neue Internetseite! Die Seite wird gemeinsam vom katholischen und evangelischen Seelsorgeteam betrieben, jede Konfession hat aber auch separate Unterseiten für eigene Belange. Die Internetpräsenz ist für alle Endgeräte wie PC, Tablet und Smartphone optimiert. Schauen Sie doch mal rein!