Weitsicht und beherztes Handeln

„Demografischer Wandel“ ist in diesem Jahr Thema der Kreissynode des Evangelischen Kirchenkreises Aachen – Kirche hat für die zukünftigen Veränderungen gute Ausgangsposition - Sozialwissenschaftler Prof. Dr. Gerhard Bäcker lobt Vorbildcharakter der bestehenden Angebote

„Der Demografische Wandel ist keine Bedrohung und keine Katastrophe“, ist sich Sozialwissenschaftler Prof. Dr. Gerhard Bäcker von der Universität Duisburg-Essen sicher. „Er ist eine Herausforderung - aber eine, bei der gerade die Kirchen aus sozialwissenschaftlicher Sicht viele Vorteile haben, konstruktiv und zum Wohle der Gesellschaft zu wirken.“ Denn Kirche und Diakonie verfügen bereits über eine umfangreiche Erfahrung und Expertise in sozialen Diensten. Wie keine andere Organisation in Deutschland besitzen sie eine unvergleichliche, nahezu überall vorhandene Infrastruktur von Immobilien in zentraler Lage als Orte der Begegnung sowie ein Netz von Haupt- und Ehrenamtlichen. „Hier kann die Kirche ihre Verantwortung und ihre Chance für die gemeinschaftliche Gestaltung der Gesellschaft des langen Lebens ergreifen“, so Bäcker in seinem Referat zu Beginn des zweiten Tages der Kreissynode des Evangelischen Kirchenkreises Aachen.

Zukunftslabore bearbeiten das Thema weiter

Am Synodensamstag beschäftigten sich die mehr als 100 Abgeordneten aus den evangelischen Kirchengemeinden und Einrichtungen mit dem Thema „Demografischer Wandel“ - nicht um ein „Patentrezept“ für den Umgang damit zu erhalten, sondern als „mentale Lockerungsübung“, wie Superintendent Pfarrer Hans-Peter Bruckhoff es ausdrückte. Es sei wichtig, so Bruckhoff, beim Stichwort „Demografischer Wandel“ nicht immer an eine Krise zu denken oder an eine unaufhaltbare Welle der Überalterung, die die Sozialsysteme zusammenbrechen lasse. Stattdessen seien „Weitsicht und beherztes Handeln“ gefragt, so wie auch der Untertitel der Veröffentlichung von Prof. Bäcker zu diesem Thema laute. „Es geht uns darum, auf alle Generationen zu schauen, auch auf die Jungen, und Mut machende, positive Beispiele aus dem Alltag in unseren Gemeinden aufzuzeigen“, sagte der Superintendent.

Nach der Einführung des Themas auf der Synode werden die Erkenntnisse in vier „Zukunftslaboren“ mehrere Monate lang in den Gemeinden des Kirchenkreises weiter bearbeitet. Fachkundige Referenten begleiten diese Diskussionen und Überlegungen. Dort können sich dann noch mehr Menschen mit anstehenden Zukunftsfragen auseinandersetzen, und dies nicht gelähmt von Panik, sondern mit Blick auf die sich eröffnenden Chancen.

"Engagiert älter werden" und "Netzwerk an Urft und Olef" sind Vorbild-Projekte

Zwei Initiativen aus dem Kirchenkreis, die sich in der Werkstattphase vorstellten, sind die „Evangelische Initiative Engagiert älter werden“ aus Aachen und das „Netzwerk an Urft und Olef“ aus der Eifel. „An diesen beiden überaus erfolgreichen Beispielen aus der Praxis zeigt sich, dass eine Kirchengemeinde der ideale Ort ist, um Begegnungen mit und zwischen Menschen zu ermöglichen“, sagte Renate Weidner von der Stabsstelle Kirche und Diakonie im Kirchenkreis Aachen, die maßgeblich an der inhaltlichen Vorbereitung der Synode beteiligt war. „Beide Initiativen tragen dazu bei, dass ältere Menschen in ihrer Umgebung am sozialen Leben teilhaben können und nicht nur sich selbst, sondern auch anderen etwas Gutes tun können. Von der Einbindung der Älteren in soziale Netzwerke profitiert die gesamte Gesellschaft.“

"Caring Commuities" schaffen

Auch Prof. Gerhard Bäcker beurteilt diese beiden Angebote für die sehr unterschiedlichen städtischen bzw. ländlichen Regionen als sehr interessant. „Diese Initiativen haben Vorbildcharakter“, sagte der Sozialwissenschaftler. „Es wäre gut, wenn sie noch weiter ausgebaut und verbreitert und an anderen Stellen ähnlich umgesetzt würden.“ Denn ein konstruktiver Umgang mit dem demografischen Wandel ist die Schaffung von „Caring Communities“, also nicht-staatlichen Netzwerken, die es älteren Menschen ermöglichen, lange selbständig zu wohnen und aktiv an der Gesellschaft teilzuhaben. Prof. Bäcker: „Man sieht hier, wie kirchliche Akteure ehrenamtliche Aktivitäten institutionell flankieren, Räume bereitstellen, Beratungs- und Fortbildungsangebote organisieren, Foren zu Begegnung schaffen und mit vielen ganz unterschiedlichen Angeboten Lebensfreude und Potenziale erhalten oder sogar neu wecken.“