Lichter gegen das Vergessen und für die Hoffnung

Ökumenischer Gedenkgottesdienst „Sterben auf den Reisen der Hoffnung“ - Rund 100 Besucher erinnerten in der Grabeskirche St. Josef an das Schicksal von Flüchtlingen

Weltweit sind über 65 Millionen Menschen auf der Flucht vor Krieg, Verfolgung und Not. Nicht immer endet ihre Flucht gut. Viele sterben auf den Wegen – besonders im Mittelmeer ist die Zahl der Toten in diesem Jahr deutlich angestiegen. Für die Menschen, die auf ihrer Reise der Hoffnung starben, fand vergangenen Freitag in der Aachener Grabeskirche St. Josef ein ökumenischer Gedenkgottesdienst statt. Eingeladen dazu hatten der Ökumenische Arbeitskreis Bestattungskultur Aachen und die Gemeinschaft Sant’Egidio.

Gedenkfeier ist auch politisches Zeichen

„Diese Trauerfeier ist ein gemeinsames Anliegen“, erläutert Kerstin Birke von der Gemeinde Sant’Egidio. „Viele Menschen, die auf der Flucht gestorben sind, haben kein Grab, wir kennen ihre Namen nicht. Wir möchten einen Ort schaffen, wo wir ihnen gedenken können, denn niemand soll vergessen werden.“ Für Pfarrerin Bettina Donath-Kreß ist die Trauerfeier eine konsequente Fortsetzung der Gedenkfeiern für die Verstorbenen der Ordnungsamts-Begräbnisse, die der Arbeitskreis Bestattungskultur seit 2013 in Aachen organisiert. „Diese Gedenkfeier ist ein sehr politisches Zeichen", betont Pfarrer Hans-Peter Bruckhoff, Superintendent des Evangelischen Kirchenkreises Aachen. „Es ist wichtig, dass es solche Orte gibt, wo wir im stillen Gedenken und gemeinsamen Beten zusammenkommen. Das ist ein Gegengewicht zu den Parolen, den Abschottungstendenzen, die wir in der Gesellschaft und in der Politik beobachten.“

Rund 100 Besucher gedenken der Verstorbenen

„Eine Gedenkfeier für Flüchtlinge am Freitagabend. Wer soll denn da kommen?“ – Diese Frage, sagte Gabriele Eichelmann, Pastoralreferentin an der Grabeskirche St. Josef, habe man ihr im Vorfeld des Abends oft gestellt. Doch rund 100 Besucher der Gedenkfeier setzten ein deutliches Zeichen. Das Lampedusa-Kreuz, das der Künstler Dieter Härtl aus Resten zerschellter Flüchtlingsboote fertigte, und eine Projektion des linken Flügelbildes aus dem Tryptichon der Künstlerin Rita Lausberg – es zeigt ein überfülltes Flüchtlingsboot, am rechten Rand ein schlafendes Kind –, setzten Impulse. Die Schirmherrschaft über den Gedenkgottesdienst hatte Europaparlaments-Präsident Martin Schulz übernommen. Sein Grußwort las Diakon Rolf Berard vor. Das Mittelmeer sei die tödlichste Grenze der Welt geworden, schreibt Schulz darin. Jedes verlorene Menschenleben sei eine Schande für das auf humanistischen Werten gegründete Europa. Doch die Würde der Menschen ende nicht mit dem Tod. Die Verstorbenen waren Menschen mit Persönlichkeit, einer Geschichte.

Geschichten von Geflüchteten standen stellvertretend für viele namenlose Schicksale

Einige dieser Geschichten von Geflüchteten, die ihre Flucht überstanden haben, wurden vorgetragen. Dazwischen improvisierte Heribert Leuchter auf dem Saxophon. Dompropst Manfred von Holtum erinnerte an das Zeichen, das Papst Franziskus bei seinem Besuch auf der griechischen Insel Lesbos setzte, als er drei syrische Flüchtlingsfamilien nach Rom holte. Er sprach das Gebet, das beim Gedenken an die Migranten, die auf der Überfahrt nach Lesbos ertrunken sind, gesprochen wurde.

„Was haben wir Christen in der Hand?“ fragte Superintendent Hans-Peter Bruckhoff angesichts der Herausforderungen in der Flüchtlingsarbeit und der gegenwärtigen gesellschaftlichen und politischen Entwicklungen. Viele in der Flüchtlingsarbeit Engagierte machten die Erfahrung, dass Verzweiflung und Hoffnung oft ganz eng beieinander lägen. Er antwortete darauf mit einem Wort aus dem zweiten kleinen Petrusbrief: „Und so halten wir nun fest an dem völlig gewissen prophetischen Wort, und ihr tut gut daran, darauf zu achten als auf ein Licht, das an einem dunklen Ort scheint, bis der Tag anbricht und der Morgenstern aufgeht in euren Herzen.“  Das Wort bedeute, sagte Bruckhoff, dass wir uns nicht zurückziehen dürfen, sondern da Verantwortung tragen, wo Politiker sich zurückziehen und erklären, nicht alle Probleme lösen zu können. Es sei der konkrete Auftrag, im Nächsten Christus zu erkennen.

Im "Fluss des Lebens" steht das Wasser für Hoffnung

Im zweiten Teil der Gedenkfeier waren die Besucher eingeladen, Lichter zu entzünden und entlang des Flusses des Lebens aufzustellen. Das Wasser, in dem die meisten der Geflüchteten gestorben sind, verliert hier seine gefährliche Kraft. In der Grabeskirche, erklärte Pfarrerin Bettina Donath-Kreß, symbolisiere das Wasser Leben und Hoffnung, das Schiff aus Glas unter der Decke, trage diese Hoffnung sicher und gehe nicht unter – anders als die unsicheren Boote auf dem Mittelmeer. Der irakische Diakon Kaes Simhere sang zum Abschluss das Vaterunser in Aramäisch – der Sprache Jesu. „Bewegt, gerührt und aufgewühlt“ – so hatte Superintendent Hans-Peter Bruckhoff in seiner Predigt die Gefühle beschrieben, die die Besucher bei dieser Gedenkfeier bewegt haben. Diese Gefühle spiegelten sich bei vielen noch auf den Gesichtern wieder, als sie nach Abschluss der Gedenkfeier die Kirche verließen.

(Text und Bilder: Kathrin Albrecht)