„Mehr als studieren“ in der ESG Aachen

Im evangelischen Wohnheim treffen Studierende aus allen Fachrichtungen, Nationen und Religionen aufeinander – Gottesdienst und Party zum Semesteranfang

Salsa-Kurs oder Kneipenabend im Partykeller? Nach der Koch-AG am Sonntag noch zum Tatort-Abend? Montags zum Lauftreff, und Dienstag auch zum Fitness? Studierende, die neu den Weg in die ESG finden, haben die Qual der Wahl – das gilt ebenso für die 20 neuen Bewohner des Wohnheims wie auch für diejenigen, die Interesse an der ESG haben, ohne im Wohnheim zu wohnen. Und dann wartet jetzt zum Semesterstart auch noch die legendäre Semesteranfangsparty auf die Erstis. „Klar gibt es Vorurteile über kirchliche Einrichtungen“, sagt E-Technik-Student Paul. „Aber die lassen bei allen sofort nach, wenn man das erste Mal hier war.“ Oft werde das Thema Kirche bei Außenstehenden mit starkem Ge- und Verboten und langweiligen Gottesdiensten in Verbindung gebracht, sagt der 21-Jährige. Doch in der ESG leben 53 Menschen aller Kulturen und Religionen, im Moment aus mindestens elf verschiedenen Nationen. Die Teilnahme an Bibelabenden, Frühandachten und Gottesdiensten ist freiwillig, und langweilig wird es im ESG-Haus an der Nizzaallee bestimmt nicht.

Wohnheim-Rat kümmert sich um Probleme

Die Studierenden wohnen dort in Doppel- oder Einzelzimmern, verteilt auf vier Etagen. Pro Etage gibt es jeweils eine Küche und ein Gemeinschaftsbad mit mehreren Duschen und Toiletten. „Es gibt keinen kulturell bedingten Streit, höchstens mal ein bisschen Zoff wegen irgendetwas anderem“, erläutert Paul die kulturelle Situation. Er selbst ist im vierten Semester und schon seit drei Semestern Ansprechpartner für die anderen ESG-Studenten. Zusammen mit anderen engagierten und interessierten Bewohnern kümmert er sich um die generelle Planung und Organisation. Eigenständig errichteten die Studierenden einen Wohnheim-Rat, der sich um alle Fragen und Probleme kümmert. Dieser besteht aus vier Studenten und der ESG-Pfarrerin. In den wöchentlichen Mittwochstreffen diskutieren sie gemeinsam aktuelle Angelegenheiten.

Kontakte knüpfen bei Party, Koch-Abend oder Gottesdienst

Zum Semesteranfang mussten vor allem die Semesteranfangsparty am Donnerstag, 28. Oktober, und der Semesteranfangsgottesdienst am Sonntag, 23. Oktober, geplant werden. „Die Party kommt echt gut an, ich hätte nie gedacht, dass so viele dorthin kommen würden“, erzählt Logopädie-Studentin Katharina, die sich im Gottesdienstteam und im generellen Omat engagiert. Die Party sei ein wichtiger Programmpunkt für die Studenten im ersten Semester, um anzukommen und Kontakte zu knüpfen. Für die Ruhigeren hat die ESG auch eine Cocktail-Party sowie einen gemeinsamen Kochabend organisiert.

Thema des Semesteranfangs-Gottesdienstes wird in diesem Jahr "Volle Kraft voraus" sein. Für die Studierenden ist dies besonders wichtiger Gottesdienst, zu dem jeder, egal ob aus der ESG oder nicht, eingeladen ist, Beginn ist um 18 Uhr. Anschließend, ab 19 Uhr, findet der Empfang zum neuen Semester mit gemeinsamem Abendessen statt.

Gottesdienste mit eigenen Liedern in lockerer Atmosphäre

Die Gottesdienste in der ESG unterscheiden sich auch sonst meist etwas von „normalen“ Gottesdiensten: „Man muss sich nicht besonders anziehen, alles ist locker, zum Beispiel auch die Sitzordnung“, meint Paul. Letztens wurde ein Feiermahlgottesdienst gefeiert, erzählt Katharina, während dessen gegessen werden konnte. Auch die Lieder unterscheiden sich in den Gottesdiensten der ESG von den alltäglichen Kirchenliedern: Es gibt ein eigenes Liederbuch und eine eigene Liturgie. Immer wieder kann hier etwas ausprobiert werden. „Die Pfarrerin ist sehr offen“, erzählt Biologie-Studentin Elisabeth. Sie hat schon beobachtet, dass sich zu den ESG-Gottesdiensten auch viele externe Besucher regelmäßig einfinden. Alle sind herzlich eingeladen. „Jeder sollte sich den Gottesdienst einfach mal angucken, wir sind komplett frei von Grenzen. Man muss noch nicht mal studieren!“, sagt die 20-Jährige.

ESG-Studentin ist jüngstes Mitglied der Kreissynode

Einmal in der Woche findet zusätzlich zu den Gottesdiensten eine Frühandacht mit anschließendem Frühstück für die Bewohner des Hauses statt. Dafür ist ESG-Pfarrerin Swantje Eibach-Danzeglocke zuständig. Sie kümmert sich um Gottesdienste, Taufen und alle Fragen rund um den Glauben. Unterstützung erhält sie dabei von ESG-Referentin Kornelia von Kaisenberg, welche sich insbesondere für das Wohnheim und internationale Studierende einsetzt. „Die Frühandachten gefallen mir besonders. Außerdem Salsa und die Sportangebote“, sagt Elisabeth. Sie wohnt nicht nur in der ESG, sondern ist sogar Mitglied der Kreissynode des Evangelischen Kirchenkreises Aachen. Dort ist sie die jüngste Delegierte, dicht gefolgt von Student Nicolai, ebenfalls aus der ESG. „Ich finde es schön, auf der Kreissynode die Sicht der Junggemeinden zu vertreten“, sagt sie. "Vor allem beim diesjährigen Thema 'Demografischer Wandel' kann das von Vorteil sein."

Unterstützer werden gesucht

Aus Sicht von Katharina, Paul und Elisabeth gibt es derzeit nur einen Punkt, der sich in letzter Zeit an der Nizzaallee verschlechtert hat: Die Miete ist dort vor einigen Monaten gestiegen. Für ein Wohnheimzimmer beträgt sie nun je nach Größe zwischen 230 und 370 Euro, was allerdings für Aachener Verhältnisse immer noch günstig ist. Interessierte Spender und Förderer können der Organisation „NizzaLink“ beitreten, welche Geld für die Evangelische Studierenden-Gemeinde und ihre Projekte sammelt. Weitere Informationen dazu finden sich auf der Internet-Seite der ESG Aachen: www.esg-aachen.de.

Trotz der Mieterhöhung sind die drei Studierenden zum Semesteranfang aber positiv gestimmt. Paul: „Ich bin sehr zufrieden hier. In der ESG das Wohngemeinschaftsgefühl einfach besonders!“

(Text + Fotos: Miriam Wilms)