Stolperstein im Advent - Weder „mies“ noch „roh“!

Die diesjährige Adventsfeier der Mies-van-der-Rohe Schule hatte so manches im Sinn - Jedoch..., "Nichts für Blödmänner!"

"Wake up"! Unter diesem Titel und mit einem Weihnachtsmärchen der besonderen Art feierten am Dienstag mehr als 500 Schüler und Schülerinnen der Mies-van-der-Rohe-Schule die dritte Auflage der Jahresendfeier "Stolperstein im Advent".

Die "etwas andere" Veranstaltung zum Jahresende wird jedes Jahr von der Fachkonferenz Religion organisiert und versammelte in der Aula des Berufskollegs für Technik der Städteregion Aachen zahlreiche Schüler und Schülerinnen, Lehrer und Lehrerinnen, sowie ehemalige Lehrkräfte, um sich gemeinsam eine Auszeit in der Vorweihnachtszeit zu gönnen.

"Raus aus dem Trott und kritisch schauen; raus aus den Themen Terror und Flüchtlinge, mit denen wir jeden Tag konfrontiert werden, eine Auszeit vom Konsum und Glühwein, sich kritisch betrachten und fragen, wo man steht und wieso wir eigentlich Weihnachten feiern. Und das wir hier als reale Menschen zusammen sitzen und kommunizieren, statt nur über die Social-Media-Kanäle ", erklärt Ute Dreser, Schulleiterin des Berufskollegs, die Bedeutung der Veranstaltung.

Kein Leben in der Schachtel

Nach den einleitenden Worten der Schulleiterin folgte die Weihnachtserzählung von Pfarrer Guntram Schindel: Gemischt mit etwas Sarkasmus und humoristischen Einlagen präsentierte er seinen kritischen Blick auf gesellschaftliche Konventionen und einige dogmatische Auffassungen des Christentums.

"Ich bin ein glühender Verfechter des Gedankengutes von Jesus von Nazareth und kann nicht ertragen wie in unserer Kultur absurde und pseudochristliche Motive die Runde machen und von Kindesbeinen an in den Köpfen hängen bleiben. Das versperrt den Blick auf den eigentlichen und wichtigen Kern des christlichen Glaubens", erklärte Schindel, der jedes Jahr etwa 20 Klassen in der Mies-van-der-Rohe-Schule im Fach Religion unterrichtet.

"Wir möchten, dass unsere Schüler den Weg in ihrem Leben finden", sagt Schindel. Seinen Zuhörern übermittelte er die Botschaft: "Gott hat doch nicht das Leben in der Schachtel erfunden. Er hat diese Welt mit wunderschönen Farben und Formen und einen unendlichen Reichtum an Leben und Töne geschaffen. Seid keine Menschenmaschinen, keine Duckmäuser. Lasst euch nicht beeinflussen von der Werbung und spielt nicht die Rolle in eurem Leben, für die andere das Drehbuch schreiben. Seid wachsam und lebendig und vergesst keinen Tag darüber nachzudenken warum ihr lebt und was ihr eigentlich von eurem eigenen Leben erwartet".

Mit dem Kurzfilm "Das Leben in der Schachtel" von Bruno Bozzeto, wies er auf die Zwänge des Alltags und die unerfüllte Suche nach dem Sinn des Lebens hin und erhielt großen Beifall von den Jugendlichen.

Unsinn oder Sinn? - Videoclip von Sido, Bushido und Peter Maffay luden zum Nachdenken ein

Auch "Futter fürs Hirn", wie das werbende Plakat zusicherte, gab es reichlich. Die Videoclips "Erwachsen sein" von Sido, Bushido und Peter Maffay, sowie "The Sound of Silence" von Disturbed luden die Schüler und Schülerinnen zum Nachdenken ein. Ebenfalls für viel Zustimmung bei den Zuhörern sorgte der Text "Sinn und Unsinn des Lebens", geschrieben und vorgetragen von einer Schülerin des Berufskollegs. In Ihrem Vortrag macht sie sich Gedanken über die Bedeutung der Begriffe Sinn und Unsinn. "Wie kann etwas sinnvoll sein, wenn es mich nicht interessiert; wenn ich mich immer wieder durchquälen muss und mir das Ziel nicht klar ist. Wenn es gar kein Ziel gibt, fällt mir so manches leichter. Der Durst nach Sinn kommt von selbst, aus sich heraus, aus mir heraus. Dafür brauche ich diese Ausstiege, wie heute hier“, erzählt Franziska.

Fast religionslos

"Eine Schule voller Lachen, Brüche, Bildung, Spannung, Ärger und Menschlichkeit". So beschrieb Guntram Schindel den Alltag in der Mies-van-der-Rohe-Schule, die etwa 60 unterschiedliche Nationalitäten in ihren Klassenräumen zusammenbringt. Obwohl sie unterschiedlichen oder gar keiner Religion angehören, ist es in der Schule möglich, eine gemeinsame Adventsveranstaltung anzubieten. "Das was unsere Gemeinschaft ausmacht und das Ziel dieser Veranstaltung, ist es, einen gemeinsamen Konsensus zu finden. Wir wollen in profaner Sprache, die jeder versteht, Inhalte des christlichen Glaubens kommunizieren", beschrieb der Pfarrer seine Arbeit im Berufskolleg.

Zum Abschluss scherzte Schindel noch über den Ursprung des Namens der Berufsschule. "Schon im Namen steckt "mies und roh". Gleichzeitig gab er seinen Zuhörern noch einen tiefen Gedanken mit auf dem Weg: "Ihr sollt keine "miesen" Kreaturen sein und auch nicht "roh" zu euren Mitmenschen; aber ihr sollt auch keine Korinthenkacker sein. Jesus predigte den Frieden, aber war lebendig; war ein echter Mensch aus Fleisch und Blut und seine Ideen blieben lebendig; auch über seinen Tod hinaus".

Den Ausklang der Veranstaltung gestaltete der Lehrer und Leiter des Schultheaters, Eckhard Debour, der von Ungerechtigkeit, Gewalt und Hass sprach, an das Schicksal Dieter Bonhoeffers im Dritten Reich erinnerte und sein Lied "Von guten Mächten" auf der Bühne interpretierte.

(Text und Fotos: M. Cárcamo / Kirchenkreis)