Pfarrer Theodor Maas predigt im Westerwald zur Eröffnung des "Theodor-Maas-Hauses"

Pfarrer und Klinikseelsorger aus Aachen zu Gast in der Kirchengemeinde Altenkirchen - Gleichnamiger Großvater wirkte dort unter dem NS-Regime - Umbenennung des Gemeindehauses in "Theodor-Maas-Haus"

Ein Gebäude nach seinem Großvater umzubenennen, der dazu auch noch den gleichen Namen hatte wie man selbst - dazu kommt man nicht oft. Doch genau zu diesem besonderen Anlass reiste Theodor Maas, Aachener Pfarrer und Klinikseelsorger im Rhein-Maas-Klinikum Würselen, in den Westerwald. Das frisch renovierte Gemeindezentrum der Evangelischen Kirchengemeinde Altenkirchen wurde dort in "Theodor-Maas-Haus" umbenannt, in Gedenken an Maas gleichnamigen Großvater, der von 1921 bis 1943 in Altenkirchen wirkte, unter dem NS-Regime aufgrund seiner jüdischen Ahnen zahlreiche Schikanen erlitt, und im März 1943 unter ungeklärten Umständen starb, möglicherweise durch einen gezielten Anschlag.

Pfarrer Maas erinnert an das Leben seines Großvaters

Im Gottesdienst in der vollbesetzten Kirche in Altenkirchen erinnerte Pfarrer Theodor Maas, Enkel des ehemaligen Altenkirchener Gemeindepfarrers, an seinen Großvater und dessen Frau Babette. Mitgebracht auf die Kanzel hatte er die Tischuhr seiner Großeltern. Mit dieser wollte er die Gottesdienst-Besucher "mit hineinnehmen in eine Zeit, in der diese Uhr ebenso gegenwärtig war wie jetzt uns hier in diesem Gottesdienst." In dieser Zeit sei die Uhr Zeugin gewesen von vertraulichen Gesprächen zwischen seinen Großeltern, Gesprächen über "Erlebtes, Verstörendes, Erschreckendes, Schockierendes, Verletzendes, über Unrecht, Kulturbruch und Bluttat, die zudem mit verhüllenden und verharmlosenden Vokabeln gesellschaftsfähig gemacht werden sollten".

Er habe seinen Großvater nicht persönlich kennengelernt, berichtete Maas. Die Informationen, die er von seinem Vater und anderen Familienmitgliedern erhalten habe, seien "fein gefilterte und positiv gefärbte Erzählungen" gewesen, über denen ein "Mantel des Schweigens, der Verhüllung und der Angst lag." Doch im Keller fand er als junger Mensch alte Kisten mit Büchern und Unterlagen seines Großvaters. Zunächst habe er die darin geschilderten Zusammenhänge nicht verstanden. Doch "Tropfen für Tropfen" sei ihm durch alle Verdrängung hindurch bewusst geworden, dass die Geschichte seines Großvaters noch eine andere Seite habe als die, die er aus den Erzählungen kannte.

Als er größer wurde, habe er manches auch beiläufig erfahren, zum Beispiel, dass sein Großvater auch zur "Bekennenden Kirche" gehört habe, einer Oppositionsbewegung evangelischer Christen gegen den Nationalsozialismus, und dass er beim Überqueren der Straße von einem LKW "angefahren" worden sei.

Geplante Aufhebung der Grabstätte ausschlaggebend für intensive Recherche

In den 1980er Jahren erhielt Maas dann einen Brief von der Verbandsgemeinde, dass die Grabstätte seiner Großeltern aufgehoben werden müsse. In seinem Bestreben um den Erhalt des Familiengrabes schrieb er auch an das Altenkirchener Presbyterium, ob vielleicht noch Unterlagen zu finden seien, die das Wirken seines Großvaters belegten. Eine couragierte Presbyterin stellte daraufhin Recherchen an, "die mit einem Mal den Mantel des Schweigens hinwegfegten und Erkenntnisse zutage förderten, bei denen mir Hören und Sehen verging", so Maas. Von SS und Gestapo war die Rede, von nächtlichen Verhaftungen, Verhören in Koblenz, körperlicher Gewalt, Bespitzelungen, massiven Einschüchterungen und Nachstellungen. Von Demütigungen, Schikanen und Bedrohungen. Mit Hilfe des Presbyteriums und vieler Zeitzeugen erreichte Maas 1986, dass die Grabstätte seiner Großeltern erhalten blieb. Geschichte sei nicht in Stein gemeißelt, betonte Maas in seiner Predigt. Und er hob das Gottvertrauen hervor, das seinen Großvater durch die "Dunkelheit" der NS-Zeit getragen habe.

Theodor Maas - Pfarrer mit widerständiger Geisteshaltung und Kritik am Nationalsozialismus

Theodor Maas war vom Mai 1921 bis zum 3. März 1943 Pfarrer in Altenkirchen. Als äußerst beliebter Seelsorger gestaltete er zusammen mit seiner musikalisch begabten Frau Babette das Gemeindeleben vor Ort in schweren Zeiten: Weltwirtschaftskrise, Inflation, nationalsozialistische Bedrückung und Zweiter Weltkrieg wechselten einander ab.

Da Theodor Maas väterlicherseits jüdische Ahnen besaß, wurde er ab 1933 zunehmend und schließlich systematisch schikaniert, nicht nur von den örtlichen Instanzen der NSDAP und den Verwaltungsorganen der Stadt, sondern auch von seinem damaligen Amtsbruder. Öffentliche Herabsetzungen und Tätlichkeiten bis hin zu Angriffen auf Leib und Leben nahmen in erschreckender Weise zu. Aber allen diesen Anfechtungen zum Trotz blieb Pfarrer Maas standhaft. Er wurde Mitglied der Bruderschaft der Bekennenden Kirche. Auch in den überlieferten Predigten sind seine widerständige Geisteshaltung und die Kritik am Krieg und dem nationalsozialistischen Regime greifbar.

Am 2. März 1943 wurde Pfarrer Maas von einem LKW angefahren und so schwer verletzt, dass er am folgenden Morgen starb. Mehrere Zeitzeugen äußerten bereits in den 80er Jahren unabhängig voneinander, dass es sich um einen gezielten Anschlag örtlicher Nationalsozialisten gehandelt habe.

Umfangreiche Recherchen führen zu Umbenennung

Nach den Recherchen der Presbyterin wurde bereits 1988 eine Gedenktafel, die an Theodor Maas erinnert, an der Kirche in Altenkirchen angebracht. 2015 beauftragten der Kirchenkreis und die Kirchengemeinde Altenkirchen dann ihren Schulreferenten Pfarrer Martin Autschbach mit einer neuen Recherche zu Theodor Maas. Intensiv unterstützt wurde er dabei von dessen Enkel und Namensvetter, Pfarrer Theodor Maas aus Aachen. Mit Hilfe alter Familienaufzeichnungen, zahlreicher Zeitzeugen und intensiver Recherche-Arbeit, zum Beispiel beim Landeskirchenamt in Düsseldorf, stellten die beiden eine umfangreiche Dokumentation zusammen, die an die wegweisenden Veröffentlichungen aus den 80ern anknüpft und diese um eine Vielzahl neuer Details ergänzt. Die Kirchengemeinde Altenkirchen entschied sich daraufhin zur Umbenennung des renovierten Gemeindezentrums in "Theodor-Maas-Haus". Damit wolle man erinnern "an einen tapferen Pfarrer, der unvergessen blieb, weil er im Unterschied zu vielen anderen zähen Widerstand gegen ein verbrecherisches Regime leistete", so Autschbach.

Pfarrer Maas verleiht Preis an Schülerinnen und Schüler

Die Umbenennung wurde in einem festlichen Gottesdienst in Altenkirchen gefeiert. Musikalisch wurde der Gottesdienst nicht nur durch den Kantor der Gemeinde, sondern auch durch die jüdische Kantorin Avitall Gerstetter aus Berlin begleitet. Im Anschluss an den Gottesdienst fand im Gemeindezentrum die symbolische Umbenennung sowie ein festliches Unterhaltungs- und Informationsprogramm statt. Bei diesem verlieh Pfarrer Maas auch den ebenfalls nach seinem Großvater benannten Theodor-Maas-Preis für besondere Leistungen im Fach Evangelische Religion an Schülerinnen und Schüler aus dem Kreis Altenkirchen. Im Anschluss an den Festakt versammelten sich Gemeindeglieder, Familienangehörige, die teilweise sogar aus Dänemark angereist waren, und Freunde von Theodor Maas noch am Familiengrab der Großeltern auf dem Altenkirchener Waldfriedhof.

(Text: Petra Stroh)

  • Den Gemeindebrief der Ev. Kirchengemeinde Altenkirchen mit einem Artikel zu Theodor Maas und weiteren historischen Fotos finden Sie hier.